Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilferecht: Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung, Bestellung eines besonderen Vertreters bei partieller Prozessunfähigkeit
Orientierungssatz
1. Zur Beurteilung der Erforderlichkeit einer kostenaufwändigen Ernährung und dem daraus folgenden Anspruch auf Zuerkennung eines sozialhilferechtlichen Mehrbedarfs kann auf die entsprechenden Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. zurückgegriffen werden.
2. Soweit die Ernährung trotz einer Erkrankung ohne gesundheitliche Gefahren mit gesunder Vollkost erfolgen kann, ist die Zuerkennung eines sozialhilferechtlichen Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung nicht geboten.
3. Einzelfall zur Bestellung eines besonderen Vertreters bei partieller Prozessunfähigkeit wegen einer paranoiden Persönlichkeitsstörung.
Normenkette
SGB XII § 30 Abs. 5; SGG § 71 Abs. 1, 6; ZPO § 56 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 27. März 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) über die Gewährung eines monatlichen Mehrbedarfes in Höhe von 60,00 € für eine kostenaufwendige Ernährung bei Diabetes Mellitus für den Bewilligungszeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 26. Juni 2008.
Der Kläger bezog bis zum 30. Juni 2006 Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII, die mit Bescheid des Beklagten vom 8. Juni 2006 eingestellt wurden. Mit Bescheid vom 8. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2006 bewilligte der Beklagte Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII in Höhe von zunächst 571,91 € monatlich für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. Juni 2007. Mit Bescheid vom 6. Juni 2007, geändert durch Bescheid vom 28. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 2007 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1. Mai 2007 bis zum 30. Juni 2008 weiterhin laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII in Höhe von zunächst 578,65 €.
Am 30. Mai 2006 beantragte der Kläger die Gewährung eines Mehrbedarfes wegen einer kostenaufwändigen Ernährung nach § 30 SGB XII unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme seines Hausarztes Dr. K. vom 29. Mai 2006, wonach bei dem Kläger ein Diabetes mellitus vorliege, der medikamentös behandelt werde. Mit Bescheid vom 13. Juli 2006 lehnte der Beklagte nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme seines Fachdienstes Gesundheit den beantragten Mehrbedarf ab, gemäß den Richtlinien des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge sei für den übergewichtigen Diabetiker eine nicht kostenaufwendige Reduktionskost ausreichend. Mit hiergegen erhobenen Widerspruch (Schreiben vom 24. Juli 2006) machte der Kläger einen monatlichen Mehrbedarf in Höhe von 52,00 € geltend und führte aus, er bedürfe einer seiner Erkrankung angemessene Vollkost.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Hiergegen hat der Kläger am 24. Januar 2007 Klage (S 18 SO 14/07) beim Sozialgericht Gießen eingelegt.
Am 31. Oktober 2007 beantragte der Kläger erneut einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung unter Vorlage einer Stellungnahme der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dres. L./M. vom 30. Oktober 2007 wonach beim Kläger Diabetes mellitus Typ 2a bestehe, der medikamentös behandelt werden. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 20. Dezember 2007 nach Einholung einer Stellungnahme bei seinem Fachdienst Gesundheit vom 5. Dezember 2007, nach der kein ernährungsbedingter Mehrbedarf bestehe, ab. Hiergegen erhob der Kläger am 9. Januar 2008 Widerspruch und machte einen monatlichen Mehrbedarf in Höhe von 120,00 € geltend. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2008 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 18. März 2008 Klage (Az.: S 20 SO 49/08) beim Sozialgericht Gießen erhoben.
Im Verfahren S 18 SO 14/07 hat der Kläger eine Bescheinigung des Dr. N. vom 19. Juli 2007 und ein weiteres Attest dieses Arztes vom 11. September 2007 vorgelegt. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht der Gemeinschaftspraxis Dr. L. und Dr. M. (Dr. N.) vom 29. November 2007 eingeholt. Die Ärzte kommen darin zu der Feststellung, dass der Kläger wegen seines Diabetes Mellitus grundsätzlich auf Zugabe von Kochsalz verzichten solle, bei der Ernährung den Fettanteil reduzieren solle und möglichst eine obst- und gemüsereiche Kost bevorzugen solle. Eine Spezialkost sei nicht erforderlich.
Mit Beschluss vom 27. März 2012 hat das Sozialgericht die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden un...