Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsunfähigkeit eines Maurers. verschlossener Arbeitsmarkt

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Versicherter kann nur auf Arbeitsplätze verwiesen werden, die dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich sind. Hierzu zählen nicht die Arbeitsplätze, die ausschliesslich im Wege der innerbetrieblichen Umsetzung besetzt werden (Schonarbeitsplätze).

 

Normenkette

RVO § 1246 Abs. 2

 

Verfahrensgang

SG Kassel (Urteil vom 10.06.1977)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. Juni 1977 aufgehoben.

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. März 1976 verurteilt, dem Kläger Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit in gesetzlicher Höhe unter Beachtung des § 1241 d RVO ab 1. Dezember 1975 zu gewähren.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die aussergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit.

Der im Jahre 1930 geborene Kläger hat den Maurerberuf erlernt und die Gesellenprüfung im Jahre 1950 abgelegt. Bis November 1956 war er in seinem Beruf tätig. Danach war er von Mai 1957 bis Februar 1959 als Rangierer bei der B. beschäftigt. Von Januar 1960 an arbeitete er als Maurer, Einschaler und Strassenbauer. Seit 29. September 1975 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Vom 1. März bis 31. Oktober 1977 war er als Gemeindekulturarbeiter bei der Gemeinde E. beschäftigt.

Im November 1975 beantragte der Kläger die Gewährung von Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Nach dem zum Rentenantrag eingeholten sozialärztlichen Gutachten des Medizinaldirektors a.D. Dr. S. Dezember 1975 liegen beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen vor:

  1. Fettleibigkeit mit Übergewicht stärkeren Grades.
  2. Geringe Fehlhaltung der Wirbelsäule mit Verschleißerscheinungen.
  3. Beginnende Verschleißerscheinungen in beiden Kniegelenken ohne wesentliche Funktionseinschränkung.
  4. Allgemeine nervöse Fehlspannung.

Der Kläger wurde für fähig erachtet, alle leichten bis mittelschweren Arbeiten vollschichtig zu verrichten.

Aufgrund dieses Gutachtens lehnte die Beklagte den Rentenantrag durch Bescheid vom 26. März 1976 ab.

Im Klagenverfahren gegen diesen Bescheid holte das holte das Sozialgericht ein orthopädisches, internistisches und neurologisches Gutachten ein.

Der Orthopäde Dr. E. hielt den Kläger in seinem Gutachten vom 5. September 1976 noch für fähig, vollschichtig körperlich leichte bis vorübergehend mittelschwere Tätigkeiten sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen abwechselnd im Stehen, Gehen und Sitzen zu verrichten. Der Kläger könne u.a. Maschinen überwachen und warten, zusätzlich Handarbeiten verrichten, die, falls nicht körperlich schwierig, durchaus eine gewisse körperliche Geschicklichkeit voraussetzen dürften.

Zum gleichen Ergebnis kam der Internist Prof. Dr. V. in seinem Gutachten vom 28. Februar 1977.

Der Neurologe Professor Dr. Su. hielt den Kläger in seinem Gutachten vom 10. Mai 1977 noch für fähig, leichte bis allenfalls mittelschweren körperliche Arbeiten sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen abwechselnd im Stehen, Gehen und Sitzen vollschichtig zu verrichten.

Vom 8. November bis 14. Dezember 1976 gewährte die LVA Hessen dem Kläger ein Heilverfahren im E. Sanatorium in B.. Nach dem Entlassungsbericht wurde der Kläger als arbeitsfähig mit 14 Tagen Arbeitsruhe entlassen. Durch Bescheid vom 16. Februar 1977 lehnte die LVA Hessen die Gewährung von berufsfördernden Maßnahmen ab mit der Begründung, nach Kurabschluss sei der Kläger in der Lage, seinen erlernten Beruf als Maurer wieder ganztätig auszuüben.

Durch Urteil vom 10. Juni 1977 hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger sei nicht berufsunfähig; der Kläger geniesse zwar Berufsschutz als Facharbeiter (Maurer), doch könne er seinen Beruf noch in grösseren Baubetrieben und Fertigbauunternehmen mit Ausbesserungs- und Reparaturarbeiten ausüben. Im übrigen sei der Kläger auf Revisions- und Überwachungsarbeiten, Meßwart- und Schalttafeltätigkeiten sowie auf Tätigkeiten in Anlagekontrollen im Bereich der industriellen Fertigung zumutbar zu verweisen.

Gegen dieses dem Kläger am 26. Juli 1977 zugestellte Urteil richtet sich seine am 10. August 1977 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung.

Er wendet sich zunächst gegen die vom Sozialgericht angenommene Einsatzfähigkeit als Maurer und macht dazu geltend, nach den in soweit übereinstimmenden ärztlichen Gutachten solle er abwechselnd im Stehen, Gehen und Sitzen arbeiten. Darüberhinaus leide er an Schwindelanfällen. Er solle sich nicht häufig bücken und nicht schwer heben. Der rechte Arm sei belastungsgemindert. Schliesslich sollten die Arbeiten leicht und nur vorübergehend mittelschwer sein. Bauarbeiten seien hierdurch schlechthin ausgeschlossen.

Gleiches gelte für Arbeiten in Fertigbetonteilwerken, in Ziegeleien sowie als Hausmeister. Dieses Vorbringen belegt der Kl...

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