Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Vertragsarztes auf Erhöhung des Punktzahlvolumens bei Änderung des EBM-Ä. Anhebung der Abrechnungsobergrenzen. Spürbare Auswirkungen auf die Berechnungsgrundlagen. Jobsharing-Praxis. Substantiierung. Ermessen. Atypischer Fall
Orientierungssatz
1. Auf Antrag des Vertragsarztes sind nach § 23e S. 2 BedarfsplRL-Ä die Gesamtpunktzahlvolumina neu zu bestimmen, wenn Änderungen des EBM, die für das Gebiet der Arztgruppe maßgeblich sind, spürbare Auswirkungen auf die Berechnungsgrundlagen haben.
2. Hierzu müssen spürbare Auswirkungen auf die Einzelpraxis festgestellt werden. Erforderlich sind insoweit Veränderungen von erheblichem Ausmaß, d. h. mit real nachhaltiger Auswirkung. Der Vertragsarzt muss genau darstellen, wie sich bei konstanter Fallzahl und konstanter Behandlungsausrichtung eine Änderung des EBM-Ä auswirkt.
3. Fehlt es insoweit an einer hinreichenden Darlegung substantieller Anhaltspunkte, so ist eine Erhöhung des maßgeblichen Punktzahlvolumens gegenüber dem Fachgruppendurchschnitt ausgeschlossen.
Normenkette
BedarfsplRL-Ä § 23e S. 2; SGB X § 44 Abs. 2 S. 2
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 23. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen zu 1) zu tragen. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Neufestsetzung des Gesamtpunktzahlvolumens im Rahmen eines so genannten Jobsharing-Verhältnisses für die Leistungsjahre 6 bis 10 (Zeitraum vom 1. Oktober 2004 bis 30. September 2009).
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. A. ist seit 1995 mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Der Zulassungsausschuss ließ mit Beschluss vom 29. September 1999 die Allgemeinärztin Dr. D. zur gemeinsamen vertragsärztlichen Tätigkeit mit dem Facharzt für Allgemeinmedizin A. gemäß § 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB V in Verbindung mit Abschnitt 4 Nr. 23a der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte (im Folgenden: BedarfsplRL-Ä) zu. Beide Ärzte hatten sich mit der Feststellung der Punktzahlobergrenzen (Punktzahlvolumen von 955.676,5 für das Quartal IV/97, Punktzahlvolumen von 971.552,8 Punkten für das Quartal I/98, Punktzahlvolumen von 944.626,6 für das Quartal II/98, Punktzahlvolumen von 953.401,8 Punkten für das Quartal III/98) mit Datum vom 24. Juni 1999 einverstanden erklärt. Mit weiterem Beschluss vom 29. September 1999 genehmigte der Zulassungsausschuss die gemeinsame vertragsärztliche Tätigkeit des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. A. und der Allgemeinärztin Dr. D. und legte das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen entsprechend der Feststellung über die Punktzahlobergrenze mit Datum vom 24. Juni 1999 fest, jeweils zuzüglich 3 % des Fachgruppendurchschnitts des entsprechenden Vorjahresquartals.
Mit Beschluss vom 26. April 2005 gab der Zulassungsausschuss dem Antrag auf Genehmigung zur Beschäftigung der Allgemeinärztin Dr. E. als halbtagsangestellte Ärztin gem. § 101 Abs. 1 Nr. 5 SGB V i. V. m. § 32b Ärzte-ZV statt. Er legte zur Beschränkung des Praxisumfangs aufgrund des Fachgruppendurchschnitts in den Quartalen IV/97 bis III/98, von dem er bereits im Beschluss vom 29. September 1999 ausgegangen war, ein quartalsbezogenes Grenzpunktzahlvolumen, welches bei der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen im Rahmen der Gemeinschaftspraxis für den Facharzt für Allgemeinmedizin A. nach Beschäftigung der angestellten Praxisärztin als Leistungsbeschränkung maßgeblich ist, wie folgt fest:
|
Jahres- quartal |
Punktzahl der Fachgruppe |
3 % der Punktzahl der Fachgruppe |
Gesamtpunkt- zahlvolumen für das 1. Leistungsjahr |
1 |
971.552,8 |
29.146,6 |
1.000.699,4 |
2 |
944.626,6 |
28.338,8 |
972.965,4 |
3 |
938.892,0 |
28.166,8 |
967.058,8 |
4 |
955.676,5 |
28.670,3 |
984.346,8 |
Ab dem 2. Leistungsjahr werde das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen entsprechend den Bestimmungen von Nr. 3.4 der Angestellten-Ärzte-Richtlinien durch die Kassenärztliche Vereinigung angepasst.
Die Allgemeinärztin Dr. D. erhielt ab Oktober 2009 eine Vollzulassung, womit das Jobsharing-Verhältnis beendet wurde. Sie ist seitdem mit einem halben Versorgungsauftrag zugelassen. Die Allgemeinärztin Dr. E. ist seitdem als halbtagsangestellte Ärztin ohne Jobsharing-Verhältnis beschäftigt.
Mit Antrag vom 30. Mai 2008, bei dem Beklagten eingegangen am 2. Juni 2008, beantragte die Klägerin eine Erhöhung der Punktzahlobergrenzen unter Hinweis auf das Inkrafttreten des neuen EBM ab 1. Januar 2008, da in die Leistungsbewertung die Mehrwertsteuererhöhung eingearbeitet und der zugrundeliegende "kalkulatorische Arzt" erhöht worden sei. Durch die Erhöhung sei die alte Punktzahlobergrenze nicht mehr zutreffend.
Die zu Ziff. 1) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Hessen führte hierzu aus, der jeweili...