Verfahrensgang
SG Kassel (Urteil vom 29.01.1973) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 29. Januar 1973 abgeändert und die Klage im vollem Umfange abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger Anspruch auf Krankenpflege für seine Nierenerkrankung, insbesondere durch Übernahme der notwendigen Kosten für die Behandlung mit einem Heimdialysegerät im Rahmen des § 213 Reichsversicherungsordnung (RVO) hat.
Der im Jahre 1915 geborene Kläger bezieht von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) seit dem 1. Juli 1968 Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit. Auf seinen Antrag wurde er mit Wirkung vom 24. Juni 1968 von der Rentenerkranktenversicherungspflicht befreit.
Vom 15. März bis 7. Mai 1971 war der Kläger als Expedient in einer beratenden Tätigkeit bei der Firma H. B. in K. beschäftigt. Er wurde als Pflichtmitglied bei der Beklagten angemeldet. Diese Anmeldung enthielt den Zusatz, daß der Kläger auf eigenes Risiko arbeite. Nach Beendigung dieser Beschäftigung meldete sich der Kläger unter dem 25. Mai 1971 zur freiwilligen Weiterversicherung bei der Beklagten an. Die Beklagte hat diese Anmeldung angenommen.
Am 19. April 1971 ging bei der BfA ein Schreiben des Klägers vom 16. April 1971 ein, in dem dieser erklärte, die Dialysestation des Stadtkrankenhauses K. habe ihm eröffnet, daß er in Kürze mit der Anwendung der „künstlichen Niere” rechnen müsse, und zwar zwei- bis dreimal in der Woche.
Durch Bescheid vom 25. Juli 1972 stornierte die Beklagte die von der Firma B. getätigte An- und Abmeldung sowie die freiwillige Weiterversicherung mit der Begründung, es habe ein mißglückter Arbeitsversuch vorgelegen, der weder eine Versicherungspflicht noch das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung begründet habe; eine Leistungspflicht der Beklagten sei nicht gegeben.
Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1972 als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheides wird Bezug genommen.
Mit seiner Klage vom 31. Oktober 1972 wandte sich der Kläger gegen diese Bescheide und begehrte darüberhinaus die Feststellung, daß er mit Wirkung ab 15. März 1971 Mitglied der Beklagten und als solches leistungsberechtigt sei.
Das SG Kassel hat durch Urteil vom 29. Januar 1973 der Klage auf Gewährung von Kassenleistungen stattgegeben, die Klage auf Feststellung der Mitgliedschaft jedoch abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, die Beschäftigung des Klägers bei der Firma B. sei zwar kein mißglückter Arbeitsversuch gewesen, es habe sich jedoch um eine versicherungsfreie Nebenbeschäftigung nach § 168 Abs. 1 Nr. 2, § 168 Abs. 2 b RVO gehandelt. Deswegen sei der Kläger auch nicht zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt gewesen (§ 313 RVO). Die angefochtenen Bescheide seien jedoch insoweit fehlerhaft, als die Beklagte nach § 213 RVO verpflichtet sei, dem Kläger Leistungen zu gewähren. Sie habe nach vorschriftsmäßiger und nicht vorsätzlicher unrichtiger Anmeldung über 3 Monate lang die Beiträge des Klägers entgegengenommen. Erst nach Eintritt des Versicherungsfalles habe sich herausgestellt, daß der Kläger weder versicherungspflichtig nicht versicherungsberechtigt gewesen sei.
Gegen dieses am 12. Februar 1973 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. März 1973 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Kassel eingelegte Berufung der Beklagten, mit der sich diese gegen die Rechtsauffassung des Sozialgerichts wendet. Sie ist der Meinung, die Voraussetzungen des § 213 RVO seien nicht erfüllt, weil der Kläger vorsätzlich unrichtig angemeldet worden sei; es sei für sie nicht erkennbar gewesen, daß der Kläger wegen seines Gesundheitszustandes überhaupt nicht versicherungsfähig gewesen sei. Hinsichtlich seines Versicherungsschutzes sei der Kläger auch nicht gutgläubig gewesen. Weiterhin setze § 213 RVO eine unbeanstandete Beitragsannahme für die Dauer von 3 Monaten vor Eintritt des Versicherungsfalles voraus. Im vorliegenden Falle jedoch sei der Versicherungsfall, die Nierenerkrankung, vor Ablauf dieser Dreimonatsfrist eingetreten, so daß schon aus diesen Gründen § 213 RVO nicht anwendbar sei. Der Versicherungsfall sei bereits vor Eintritt in die Beschäftigung eingetreten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 29. Januar 1973 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise ein Sachverständigengutachten einzuholen, rein vorsorglich, die Revision zuzulassen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und vertritt den Standpunkt, eine vorsätzlich unrichtige Anmeldung zur Versicherung sei nicht erfolgt, so daß jedenfalls ein Leistungsanspruch nach § 213 RVO bestehe. Nach Ablauf der Dreimonatsfrist sei eine neue Nierenerkrankung eingetreten, wie sich aus der ärztlichen Bescheinigung vom 5.8.1974 ergebe.
Die Beigeladene ...