Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnsitz. gewöhnlicher Aufenthalt. Kindergeld. Ausland. Schulbesuch. Internat. Eltern. Großeltern

 

Leitsatz (amtlich)

Ausländer, die in der Bundesrepublik Deutschland leben, erhalten für ihre Kinder, die in ihrem Heimatland die Schule besuchen und sich nur während der Schulferien bei den Eltern im Bundesgebiet aufhalten, kein volles Kindergeld, wenn diese Kinder während der Schulzeit im Haushalt der Großeltern, älterer Geschwister oder sonstiger Personen leben, mit denen sie durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden sind. Dagegen besteht ein Anspruch auf volles Kindergeld dann, wenn das Kind während des Schulbesuches im Ausland in einem Internat, einer Pension oder einem Heim untergebracht ist.

 

Normenkette

BKGG § 2 Abs. 5 S. 1 i.d.F. des. Gesetzes vom 14. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3341); SGB I § 30 Abs. 3

 

Verfahrensgang

SG Kassel (Urteil vom 29.01.1980; Aktenzeichen S-5/Kg-12/79)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 29. Januar 1980 aufgehoben, soweit es die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von vollem Kindergeld für das Kind V. des Klägers für die Zeit vom 1. Oktober 1978 bis 30. Juni 1979 betrifft; insoweit wird die Klage abgewiesen.

II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Beklagte hat dem Kläger drei Fünftel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Kindergeld in der in § 10 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) festgesetzten Höhe für das zweite Kind des Klägers für die Zeit vom 1. Oktober 1978 bis 31. August 1980.

Der Kläger, ein spanischer Staatsangehöriger, der am … 1970 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland einreiste, wohnte in der Zeit vom 3. April 1970 bis 9. August 1980 in K.. Am 1. Juni 1972 kamen auch seine Ehefrau und seine beiden Kinder, der am … 1967 geborene Sohn S. und der am … 1969 geborene Sohn V., für den das hier streitige Kindergeld begehrt wird, ebenfalls als spanische Staatsangehörige aus V. (C.), dem Geburtsort der Kinder, nach K.. Am 4. September 1978 kehrte der Sohn V., für den die Beklagte für die Zeit bis zum 30. September 1978 volles Kindergeld in der in § 10 BKGG festgesetzten Höhe gezahlt hatte, nach S. zurück, um dort die Schule zu besuchen. Er war in der Zeit bis zum 30. Juni 1979, dem Ende des Schuljahres 1978/79, bei den Großeltern mütterlicherseits in C. (J.) untergebracht; während der Weihnachtsferien 1978 hielt er sich drei Wochen lang bei den Eltern in K. auf. Nach dem Schuljahresende verbrachte er auch die bis Mitte September 1979 dauernden Sommerferien bei den Eltern in K. und besuchte dann im Schuljahr 1979/80 ab dem 15. September 1979 bis zum 30. Juni 1980 eine Schule in B. (T.), etwa 300 km von C. entfernt, wo er während dieser Zeit in einem Internat der Schule untergebracht war; diese internatsmäßige Unterbringung erfolgte deshalb, weil die Großeltern alters- und krankheitsbedingt ihn nicht mehr wie bisher versorgen konnten; diesmal hielt er sich während der Osterferien 1980 drei Wochen lang bei den Eltern in K. auf. Auch nach dem Ende dieses Schuljahres verbrachte er wiederum die Sommerferien bis zur Rückkehr der gesamten Familie nach V. am 9. August 1980 bei den Eltern in K.. Seit dem 10. August 1980 hält er sich mit seinen Eltern ununterbrochen in S. auf und besucht seit September 1980 die Schule in seinem Heimatort V. Während der gesamten Zeit vom 1. Juni 1972 bis 9. August 1980 war er mit Hauptwohnung in K. bei den Eltern polizeilich gemeldet.

Aufgrund einer Verfügung der Beklagten vom 19. Oktober 1978 erhielt der Kläger für die Zeit ab 1. Oktober 1978 für das Kind V. Kindergeld nur in der nach Art. 40 Abs. 1 Nr. 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem S. Staat über Soziale Sicherheit vom 4. Dezember 1973 (BGBl. 1977 II S. 687) in der Fassung des Art. 2 des Ergänzungsabkommens vom 17. Dezember 1975 (BGBl. 1977 II S. 722) vorgesehenen Höhe. Mit Schreiben vom 30. April 1979, eingegangen beim Arbeitsamt K. am 2. Mai 1979, begehrte er volles Kindergeld mit der Begründung, daß das Kind bei ihm in K. mit erstem Wohnsitz gemeldet sei und hier regelmäßig seine Schulferien verbringe.

Mit Bescheid – ohne Rechtsmittelbelehrung – vom 15. Juni 1979 lehnte die Beklagte dies ab, da das Kind durch die Ableistung der Schulausbildung in S. seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland aufgegeben habe; bei einer Gegenüberstellung mit einem deutschen Staatsangehörigen könne dem Kläger zugemutet werden, daß das Kind in Deutschland eine entsprechende Schule besuche. Am 19. Juli 1979 wandte der Kläger hiergegen ein, daß sich das Kind nur vorübergehend zum Schulbesuch in S. aufhalte; am 3. August 1979 legte er ergänzend förmlich Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 1979, aufgegeben zur Post am 24. Oktober 1979, wies die Beklagte diesen Widerspruch als unbegründet zurück, wobei sie sich darauf ...

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