Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Insolvenzgeldes. Begrenzung des Bruttoarbeitsentgelt auf monatliche Beitragsbemessungsgrenze. einheitlicher Begrenzungsbetrag für gesamten Insolvenzgeldzeitraum. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
Soweit in § 185 Abs 1 SGB 3 auf die "monatliche Beitragsbemessungsgrenze" Bezug genommen wird, ist die Regelung dahingehend auszulegen, dass für den gesamten Insolvenzgeldzeitraum von einem einheitlichen Begrenzungsbetrag - errechnet aus den monatlichen Beitragsbemessungsgrenzen - auszugehen ist.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. August 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Bewilligung höheren Insolvenzgeldes nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).
Der Kläger war als Senior Consultant seit dem 1. November 2001 zunächst bei der XY. AG und später bei der Rechtsnachfolgerin, der XZ. AG (XZ. AG), in B-Stadt beschäftigt. Der Kläger kündigte das Beschäftigungsverhältnis mit der Firma XZ. AG zum 31. Juli 2007. Mit Beschluss vom 1. Oktober 2007 hat das Amtsgericht B-Stadt (xxxxx) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der XZ. AG eröffnet.
Das monatliche Bruttofixgehalt des Klägers betrug seit dem 1. Januar 2006 6.000,00 Euro. Außerdem hatte der Kläger nach dem Anstellungsvertrag Anspruch auf erfolgsabhängige Tantiemenzahlungen nach Jahresabschluss. Das Gehalt wurde dem Kläger letztmalig im Juni 2007 in Höhe von 2.904,30 Euro aus dem Bruttogehalt in Höhe von 6.000,00 Euro zuzüglich des PKW-Wertes (geldwerter Vorteil) von 395,00 Euro ausgezahlt. Für den Monat Juli 2007 erfolgte zwar noch eine Abrechnung, aber keine Auszahlung der Bezüge. Nach den Abrechnungen für den Monat Juli 2007 vom 7. August 2007 und vom 26. Oktober 2007 ergab sich für diesen Monat ein Gesamt-Bruttobetrag in Höhe von 15.005,00 Euro, der sich zusammensetzte aus dem Bruttogehalt in Höhe von 6.000,00 Euro, dem geldwerten Vorteil für den PKW von 395,00 Euro, der Tantieme-Endabrechnung von 2.910,00 Euro sowie der Urlaubsabgeltung in Höhe von 5.700,00 Euro.
Der Kläger beantragte durch seine Bevollmächtigten am 16. November 2007 für die Zeit vom 1. Mai 2007 bis zum 31. Juli 2007 Insolvenzgeld, berechnet jeweils aus dem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt bis zur Beitragsbemessungsgrenze in Höhe von 5.250,00 Euro. Nach der vorgelegten Insolvenzgeldbescheinigung vom 24. Oktober 2007 betrug das noch nicht ausgezahlte Arbeitsentgelt für Juni 2007 311,72 Euro (brutto = netto) und für Juli 2007 5.250,00 Euro brutto, nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen 3.031,41 Euro netto. Die noch nicht ausgezahlten bzw. abgeführten Beitragszuschüsse zur privaten Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung wurden in Höhe von monatlich 270,75 Euro für die Monate Juni und Juli 2007 bescheinigt. Zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs führten die Bevollmächtigten ergänzend aus, aufgrund einer entsprechenden einzelvertraglichen Vereinbarung habe dem Kläger für das Jahr 2006 eine Tantieme zugestanden. Diese Tantieme sei im ersten Monat nach Vorlage der Bilanz des Jahres 2006, also im Juni 2007, zur Auszahlung fällig gewesen. Dementsprechend sei auch an die überwiegende Anzahl der Mitarbeiter, die einen Tantiemeanspruch für das Jahr 2006 gehabt hätten, die Tantieme mit dem Juni-Gehalt 2007 abgerechnet und ausgezahlt worden. Lediglich bei dem Kläger und einem weiteren Mitarbeiter, die ihrerseits ihre Arbeitsverhältnisse zum 31. Juli 2007 gekündigt hätten, sei die Tantieme mit dem Juni-Gehalt nicht ausgezahlt, sondern erst mit dem aufgrund der Insolvenz nicht ausgezahlten Juli-Gehalt abgerechnet worden. Dem Kläger stehe daher noch die im Juni 2007 fällige Tantieme für das Jahr 2006 in Höhe von 2.910,00 Euro zu. Weitere Ansprüche ergäben sich aus dem Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 5.700,00 Euro, den Reisekostenabrechnungen für die Monate Juni 2007 in Höhe von 322,00 Euro und Juli 2007 in Höhe von 532,00 Euro sowie dem anteiligen Tantiemeanspruch für das Jahr 2007 in Höhe von 5.600,00 Euro. Diese in den Monaten Juni und Juli 2007 nicht ausgezahlten Vergütungsansprüche seien für den Zeitraum von drei Monaten in Höhe von jeweils 5.250,00 Euro insolvenzgeldgesichert, auch wenn die Grundvergütung in diesen Monaten ausgezahlt worden sei. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH - Urteil vom 4. März 2004, Rs. C-19/01, C-50/01, C-84/01).
Mit Bescheid vom 5. Dezember 2007 bewilligte die Beklagte für den Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis zum 31. Juli 2007 Insolvenzgeld in Höhe von 582,47 Euro für den Monat Juni 2007 und in Höhe von 3.302,16 Euro für den Monat Juli 2007. Gegen die Höhe des bewilligten Insolvenzgeldes legte der Kläger durch seine Bevollmächtigten am 21. Deze...