Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Abgrenzung von Einkommen und Vermögen. Erbschaft. Berücksichtigung als Vermögen bei Erbfall vor Antragstellung. keine andere Beurteilung bei Vermögensumschichtung durch Veräußerung des Vermögensgegenstandes
Leitsatz (amtlich)
1. Entscheidend für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist im Falle einer Erbschaft, ob der Erbfall vor der (ersten) Antragstellung eingetreten ist. Liegt der Erbfall vor der ersten Antragstellung, handelt es sich um Vermögen (vgl BSG vom 25.1.2012 - B 14 AS 101/11 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 47, vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 36 und vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R).
2. Bei der Veräußerung von Vermögensgegenständen handelt es sich regelmäßig um eine Vermögensumschichtung, da sie den Vermögensbestand des Veräußerers nicht verändert. Eine andere Beurteilung kann sich nur ergeben, wenn für eine Sache oder ein Recht ein Kaufpreis erlangt wird, der über dem Wert des veräußerten Gegenstandes liegt. Durch die Umwandlung des Grundvermögens in Geld bleibt der Kaufpreis daher Vermögen. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Verkäufer einen Teil des Kaufpreises (vertragsgemäß) vom Käufer in Raten nach der ersten Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB 2 erhalten hat (vgl zur Arbeitslosenhilfe BSG vom 20.6.1978 - 7 RAr 47/77 = BSGE 46, 271 = SozR 4100 § 138 Nr 3).
Normenkette
SGB II §§ 7, 11 Abs. 1 S. 1, § 12 Abs. 3 Nr. 4; BGB § 1922 Abs. 1
Tenor
I. Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 30. April 2010 und der Bescheid des Beklagten vom 29. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2009 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern höhere Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung der monatlichen Zahlungen des Bruders des Klägers zu 1. als Einkommen für die Zeit vom 15. Mai 2009 bis zum 31. Oktober 2009 zu gewähren.
II. Der Beklagte hat den Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren von dem Beklagten höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Der 1947 geborene Kläger zu 1. war Eigentümer der beim Amtsgericht HX., Grundbuch von KI., Blätter x und y bezeichneten Teileigentumsrechte. Er wurde am 17. März 2000 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Der Kläger zu 1. beantragte am 15. Mai 2009 für sich und seine am 1. November 1952 geborene Ehefrau - die Klägerin zu 2. - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dabei legte er u. a. einen notariellen Kaufvertrag vom 7. Oktober 2008 über den Verkauf des Teileigentums an seinen Bruder C. zu einem Kaufpreis von 24.000,00 Euro vor. Nach § 3 Nr. 2 des Vertrages wurde ein Betrag von 10.000,00 Euro sofort nach Beurkundung fällig, der Restkaufpreis in Höhe von 14.000,00 Euro war in 28 monatlichen Raten zu je 500,00 Euro zu zahlen, erstmals am 1. November 2008 (§ 3 Nr. 3 des Vertrages). Im Zeitpunkt der Beantragung der Leistungen nach dem SGB II bestand aus dem Verkauf des Teileigentums noch eine Restforderung des Klägers zu 1. gegen seinen Bruder in Höhe von 10.500,00 Euro.
Mit Bescheid vom 29. Juni 2009 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 15. Mai bis zum 31. Oktober 2009 in Höhe von 221,54 Euro für den Monat Mai 2009, in Höhe von 390,93 Euro für Juni 2009 sowie in Höhe von 399,71 Euro monatlich ab Juli 2009. Dabei berücksichtigte er ein Einkommen aus dem Hausverkauf in Höhe von 500,00 Euro monatlich abzüglich der Versicherungspauschale von 30,00 Euro monatlich, mithin 470,00 Euro (anteilig für Mai 2009 266,33 Euro). Vermögen berücksichtigte der Beklagte nicht, da dem Vermögen in Höhe von 24.451,37 Euro (ohne Berücksichtigung der Restforderung aus dem Verkauf des Teileigentums) Vermögensfreibeträge in Höhe von 32.990,00 Euro für den Kläger zu 1. und in Höhe von 9.150,00 Euro für die Klägerin zu 2., insgesamt 42.140,00 Euro gegenüberstanden.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger mit Schreiben vom 10. Juli 2009 Widerspruch ein. Zur Begründung führte der Kläger zu 1. aus, bei den monatlichen Zahlungen in Höhe von 500,00 Euro handele es sich um eine Darlehensrückzahlung und damit um eine zweckbestimmte Einnahme, die nicht als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts angesehen werden dürfe. Die Zahlung müsse wie eine Entnahme aus eigenen Ersparnissen behandelt werden.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2009 mit der Begründung zurück, es handele sich bei den monatlichen Zahlungseingängen in Höhe von 500,00 Euro um Einnahmen und damit um berücksichtigungsfähiges Einkommen. Eine Zweckbestimmung dieser Einnahmen liege nicht vor.
Die Kläger haben am 25. August 2009 bei dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Zur Begründung hat der Kläger zu 1. ausgeführt, bei den monatlichen Zahlungen von 500,00 Euro handele es sich um eine Änderung innerhalb der bestehenden Vermög...