Leitsatz (redaktionell)
1. SozSichAbk TUR Art 33 vom 1964-04-30 (BGBl II 1965, 1169) gibt die zu berücksichtigenden Kindschaftsverhältnisse erschöpfend an.
2. Während einer Ehe geborene nichteheliche Kinder ("Ehebruchskinder") können dann nicht als in den Haushalt des nicht mit ihnen verwandten Elternteils aufgenommen angesehen werden (BKGG § 2 Abs 1 Nr 5, wenn dieser Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsfunktionen nur gelegentlich und in ungewöhnlich langen Abständen (hier: anläßlich eines jeweils ca einmonatigen Heimataufenthalts jährlich) wahrnimmt und diese Aufgaben ansonsten vom Ehegatten als leiblichem Elternteil der Kinder erfüllt werden.
Verfahrensgang
SG Darmstadt (Urteil vom 11.06.1974) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 11. Juni 1974 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die im Jahre 1938 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie ist seit dem Jahre 1950 verheiratet. Sie hat drei eheliche Kinder - N., geb. 1954, Ne., geb. 1957, Nus., geb. 1959 -. Die Klägerin arbeitet in der Bundesrepublik seit August 1971. Sie wohnt seitdem mit ihren Kindern N. und Ne. in der Bundesrepublik in Darmstadt.
Das eheliche Kind Nus. blieb bei dem Ehemann der Klägerin, M. E., in I. in der Türkei. Der Ehemann der Klägerin arbeitete dort als Kellner. Außer dem Kind Nus. wohnten bei dem Ehemann der Klägerin noch die Kinder E., geb. 1962, Nez., geb. 1963 und die Zwillinge R. und A., geb. 1971. Bei diesen Kindern handelt es sich um von dem Ehemann der Klägerin abstammende nichteheliche Kinder.
Das am 22.12.1971 unter Berücksichtigung aller sieben Kinder der Klägerin bewilligte Kindergeld wurde mit Bescheid vom 22.1.1975 mit Wirkung ab September 1972 wieder entzogen, soweit die nichtehelichen vier Kinder berücksichtigt worden waren. Das Kindergeld wurde nur noch unter Berücksichtigung der drei ehelichen Kinder gewährt. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg; er wurde durch Widerspruchsbescheid vom 22.1.1973 zurückgewiesen.
Am 6.3.1973 ging bei der Beklagten ein von der türkischen Sozialversicherungsanstalt angeforderter Bericht vom 2.3.1973 über die Kindschaftsverhältnisse ein. In dem Bericht wurde ausgeführt, die Kinder Nez., E., R. und A. seien “Stiefkinder” der Klägerin. Ihr Unterhalt werde mit dem von der Klägerin geschickten Geld bestritten.
Mit ihrer Klage trug die Klägerin vor, ihr alleiniger ständiger Haushalt sei der in I. in der Türkei, den sie nach wie vor mit ihrem Ehemann führe und in dem auch die nichtehelichen Kinder lebten. Ihre Wohnung in Darmstadt sei ein zufälliger und vorübergehender Behelf, weil sie durch die Beschäftigung in der Bundesrepublik ihre Familie unterhalten müsse. Sie stelle ihrem Ehemann alles, was sie erübrigen könne, für den Unterhalt der bei diesem lebenden Kinder Nus., E., Nez, R. und A. zur Verfügung. Im Jahre 1972 seien dies an Bargeld 2.880,- DM und Kleidungsstücke im Werte von 1.000,- DM gewesen. Die nicht ehelichen Kinder seien in ihrer Familie voll integriert. Diesen Kindern stünde andere familiäre Bindung auch nicht zur Verfügung. Ihre Ehe, die wegen der Verhältnisse ihres Ehemannes mit anderen Frauen vorübergehend gelitten habe, sei inzwischen wieder in Ordnung. Sie sei der Ansicht, daß die nichtehelichen Kinder E., Nez., R. und A. als Stiefkinder einzuordnen seien und deshalb bei der Bewilligung des Kindergeldes berücksichtigt werden müßten. Sie würden durch die türkischen Behörden auch als Stiefkinder bezeichnet.
Die Beklagte vertrat die Ansicht, daß es sich bei den nichtehelichen Kindern des Ehemannes im Verhältnis zur Klägerin nicht um Stiefkinder handele.
Das Sozialamt Darmstadt wies durch Urteil vom 11.6.1976 die Klage ab mit der Begründung, die nichtehelichen Kinder E., Nez., R. und A. könnten für die Bemessung des Anspruchs der Klägerin auf Kindergeld keine Berücksichtigung finden. Diese Kinder, die sich gewöhnlich in der Türkei aufhielten, seien als sog. Ehebruchskinder nicht als Stiefkinder im Sinne des Art. 30 des deutsch-türkischen Abkommens über soziale Sicherheit vom 30.4.1964 (BGBl. II 1965, S. 1170) anzusehen. Zudem fehle es bei diesen Kindern an der erforderlichen Aufnahme in den Haushalt des Berechtigten, weil die Wohnung der Klägerin in D. als ihr Haushalt anzusehen sei, zumal zwei ihrer ehelichen Kinder dort mit ihr lebten. Die vier nichtehelichen Kinder könnten allenfalls in einem Pflegeschaftsverhältnis zu der Klägerin stehen. Selbst wenn man dies annehmen würde, könnten sie für den Kindergeldanspruch der Klägerin keine Berücksichtigung finden. Pflegekinder seien in Art. 33 Abs. 2 des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen als für den Kindergeldanspruch zu berücksichtigende Kinder nicht erwähnt.
Gegen dieses der Klägerin am 19.7.1974 zugestellte Urteil richtet sich die am 29.7.1974 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung der Klägerin. Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, daß es sic...