Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwartschaftszeit. Beitragspflicht. Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft
Leitsatz (amtlich)
Zur Beitragspflicht von Vorstandsmitgliedern, die diese Beschäftigung im Rahmen eines Anstellungsvertrages in alleiniger Abhängigkeit von einem der Aktiengesellschaft übergeordneten Arbeitgeber ausüben.
Normenkette
AFG § 104 Abs. 1, §§ 168-169, 173 Nr. 1, § 100 Abs. 1; AVG § 3 Abs. 1a
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.05.1976) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. Mai 1976 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosengeld – Alg – vornehmlich über die Erfüllung der Anwartschaftszeit (§ 104 Arbeitsförderungsgesetz –AFG–).
Der im Jahre 1924 geborene Kläger ist Chemiker. Er stand vom 1. Januar 1964 bis zum 31. März 1973 in den Diensten der Firma R. Werke AG in F.. In Erfüllung des Angestelltenvertrages vom 9. September 1963 war er sowohl als technisches Vorstandsmitglied der Firma Aktiengesellschaft Vereinigte B. Werke – V. – als auch als Geschäftsführer der Baugesellschaft M. GmbH in F. tätig. Im Rahmen des V.-Vorstandes war der Kläger für die technischen Belange der Produktion und Bauausführung einschließlich Forschung und Entwicklung verantwortlich. Die Firma V. befaßt sich in verschiedenen Werken mit der Produktion und dem Vertrieb von bitominösen Dach- und Dichtungsbahnen, Bautenschutzmitteln, Wärmedämmstoffen und Bitomenemmulsionen für den Straßenbau. Die Baugesellschaft M. GmbH, die in Personalunion geleitet wurde, ist eine Bauausführungsgesellschaft mit mehreren Baubetrieben, die i.W. auf den Gebieten der Bauwerksabdichtung gegen Feuchtigkeit und in der Produktion von Gußasphalt tätig wird. Ausweislich des Anstellungsvertrages hatte der Kläger Arbeitsleistungen ausschließlich den R.-Werken und diesen von Fall zu Fall zu bezeichnenden Tochter- und Beteiligungsgesellschaften zu erbringen und deren Interessen zu vertreten. Den seinen Vorgesetzten erlassenen Dienst- und Sicherheitsvorschriften und sonstigen Anordnungen hatte er Folge zu leisten (§ 2 a und b des Anstellungsvertrages). Sein Gehalt betrug anfangs 3.700– DM monatlich zusätzlich einer Tantieme, bezogen auf die Dividende eines bestimmten Aktienanteils. Ferner wurde eine Karenzzeit von zwei Jahren nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses vereinbart. Für den Kläger wurden in der Zeit vom 1. Januar 1968 bis 31. August 1969 Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet, die an den Arbeitgeber einschließlich der Arbeitnehmeranteile antragsgemäß zurückerstattet wurden. Für die Zeit vom 1. September 1969 bis 31. März 1973 wurden – mit kurzer Unterbrechung im Jahre 1970 –gleichfalls Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit entrichtet. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Klägers am 7. September 1972 zum 31. März 1973. Ab 1. April 1973 erhielt er eine monatliche Karenzentschädigung von 7.820,83 DM, vorbehaltlich anderweitiger Einkünfte aus Arbeit.
Am 27. März 1973 meldete sich der Kläger zum 1. April 1973 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. April 1973 ab. Zur Begründung führte sie an, der Kläger habe innerhalb der Rahmenfrist der letzten 3 Jahre vor der Arbeitslosmeldung nicht mindestens 26 Wochen oder 6 Monate in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden; die Ablehnung des Antrages beruhe auf § 104 AFG. Den Widerspruch gegen diesen Bescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 1973 unter Hinweis auf die fehlende Anwartschaftszeit zurück. Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft gehörten gemäß § 3 Abs. 1 a des Angestelltenversicherungsgesetzes –AVG–nicht zu den Angestellten im Sinne des § 3 Abs. 1 AVG, weshalb der Kläger hinsichtlich der von ihm ausgeübten Beschäftigung auch nicht als Arbeitnehmer anzusehen gewesen sei. Gemäß § 168 Abs. 1 AFG seien jedoch nur solche Personen beitragspflichtig, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder in ihrer Berufsausbildung beschäftigt seien.
Gegen diesen am 24. November 1973 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 21. Dezember 1973 Klage.
Er trug vor, die Beklagte lasse bei ihrer Entscheidung außer Betracht, daß die Firma R.-AG, zu der der Kläger in einem Angestelltenverhältnis gestanden habe, als der eigentliche und alleinige Arbeitgeber anzusehen sei. Die Firma V. sei eine 100 %ige Tochtergesellschaft, deren Aktien sich voll im Besitz der R.-AG befanden. Die Firma V. handele allein im Namen und für Rechnung der R.-Werke AG, F.. Es bestehe ein Organschaftsverhältnis und ein Ergebnisabführungsvertrag mit der R.-AG und die Firma V. sei in die Muttergesellschaft aktienrechtlich eingegliedert. Die Firma. V. besitze keinerlei eigenes Betriebsvermögen und gehöre ausschließlich der R.-AG. Es bestehe ein Betriebsführungsvertrag, durch den die ...