Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit bei Unmöglichkeit des sofortigen Verbrauchs von Einkommen bzw der sofortigen Verwertung von Vermögen. abweichende Leistungserbringung als Darlehen. Erbschaft während des Leistungsbezugs. denkmalgeschütztes Hausgrundstück. Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung. Rechtslage bis zum 31.7.2016. kein zu berücksichtigendes Einkommen mangels bereiter Mittel. fehlende denkmalschutzrechtliche Genehmigung des Gebäudeabrisses. keine Marktgängigkeit des Vermögensgegenstands

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat ein Leistungsberechtigter nach der ersten Antragstellung und während des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II ein Hausgrundstück geerbt, handelt es sich nach der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Rechtslage nicht um Vermögen, sondern um Einkommen, das zudem nur dann bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist, wenn es als bereites Mittel tatsächlich zur Deckung des Bedarfes zur Verfügung steht.

2. Ist ein Grundstück nur marktgängig, wenn eine denkmalgeschützte Bebauung abgerissen wird, ist es als Vermögensgegenstand nicht verwertbar, wenn die Veräußerung nur bei vorheriger Erteilung einer Abbruchgenehmigung in Betracht kommt, diese vom potentiellen Käufer eingeholt werden muss und zudem ungewiss ist, ob die denkmalschutzrechtlich erforderliche Zustimmung zum Abbruch erteilt wird.

 

Tenor

I. Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 14. August 2017 geändert und der Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 4. August 2011 sowie vom 4. November 2011 und 12. Januar 2012, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2013, verpflichtet, den Klägern die für den Zeitraum August 2011 bis März 2012 als Darlehen bewilligten Leistungen als Zuschuss zu bewilligen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat den Klägern 2/3 der außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit von April 2011 bis März 2012 als Zuschuss statt als Darlehen.

Der 1961 geborene Kläger zu 1. und die 1966 geborene Rechtsvorgängerin des Klägers zu 2. (im Folgenden: Klägerin zu 2.) bewohnten gemeinsam ein denkmalgeschütztes, Ende des 18. Jahrhunderts erbautes zweigeschossiges Wohnhaus mit einer Grundfläche von etwa 102 m² in A-Stadt/D-Stadt (Flur X, Flurstück Y), das sich auf einem 1.145 m² großen Grundstück befindet. Eigentümerin des Grundstückes war die Mutter des Klägers zu 1. Auf den Antrag vom 20. September 2010 bewilligte der Beklagte den Klägern als Bedarfsgemeinschaft laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II als Zuschuss für September 2010 bis März 2011.

2010 verstarb die Mutter des Klägers zu 1., der Alleinerbe wurde (Erbschein des Amtsgerichts Frankfurt am Main, Außenstelle Höchst, Nachlassgericht, 501 VI 7862/10 (2010), vom 6. Januar 2011). Am 27. Januar 2011 wurde der Kläger zu 1. als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Am 22. Februar 2011 teilte er dem Beklagten den Erbfall mit. Dieser setzte den Kläger zu 1. daraufhin in Kenntnis, dass Leistungen angesichts des unangemessen großen Hauses nur als Darlehen bewilligt werden könnten.

Mit Bescheid vom 1. April 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes darlehnsweise nach § 23 Abs. 5 SGB II für den Zeitraum April 2011 bis September 2011 in Höhe von insgesamt 794,79 Euro monatlich. Mit Änderungsbescheid vom 18. April 2011 bewilligte er höhere Regelleistungen ab 1. Januar 2011 sowie höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung. Mit Änderungsbescheid vom 24. Mai 2011 bewilligte er ab April 2011 höhere Leistungen von nunmehr insgesamt 1.014,45 Euro monatlich. Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 25. Mai 2011 wurden ab April 2011 1.157,96 Euro monatlich bewilligt.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2011 erteilte der Gutachterausschuss für Immobilienwerte für den Geschäftsbereich des Main-Taunus-Kreises dem Beklagten die Auskunft aus der Kaufpreissammlung, wonach für das klägerische Grundstück von einem Mittelwert von 257.500,00 Euro auszugehen sei.

Mit Bescheid vom 4. August 2011 bewilligte der Beklagte für die Zeit ab August 2011 darlehensweise monatlich 1.176,36 Euro. Mit dem am 7. September 2011 bei dem Beklagten eingegangenen Schreiben legte der Kläger zu 1. Widerspruch gegen den Bescheid vom 4. August 2011 ein.

Mit Bescheid vom 28. September 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern darlehnsweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum Oktober 2011 bis März 2012 i. H. v. 1.157,96 Euro monatlich.

Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2011 begründete der Prozessbevollmächtigte der Kläger den Widerspruch gegen den Bescheid vom 4. August 2011 damit, dass das Hausgrundstück nicht verwertbar sei und lediglich einen Wert von etwa 130.000,00 Euro habe. Bei der Immobi...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge