Entscheidungsstichwort (Thema)

Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz von 1983 und November 1996. Zeitpunkt der Anwendbarkeit.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz, hrsg. November 1996 (AHP 1996), sind von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit auch im Falle der Anfechtung eines Bescheides, der vor November 1996 erlassen worden ist, der Entscheidung zugrunde zu legen.

2. Die AHP 1996 entfalten im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten im Klageverfahren ab November 1996, dem Zeitpunkt ihrer Herausgabe, Wirksamkeit.

 

Normenkette

Schwerbehindertengesetz §§ 3-4

 

Verfahrensgang

SG Wiesbaden (Urteil vom 29.08.1996; Aktenzeichen S-4/Vb-175/95)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 29. August 1996 und der Bescheid vom 13. Dezember 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 1995 und des Schriftsatzes vom 25. August 1997 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, den GdB ab dem 1. November 1996 mit 40 festzustellen.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Grades der Behinderung – GdB – nach dem Schwerbehindertengesetz – SchwbG –.

Die am 3. Dezember 1952 geborene Klägerin beantragte am 26. August 1993 Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz. Sie übersandte einen Bescheid der Hessischen Ausführungsbehörde für Unfallversicherung vom 21. Dezember 1987, in dem diese als Folgen eines Arbeitsunfalls vom 25. Januar 1973 eine Konturvergrößerung des rechten Kniegelenks, geringe Muskelverschmächtigung im Bereich des rechten körpernahen Unterschenkels, Verdacht auf mediale Seitenbandlockerung rechtes Kniegelenk, nach klinisch nachweisbarem vorderen Kreuzbandschaden am rechten Kniegelenk anerkannte. Die MdE bewertete der Unfallversicherungsträger mit 20 v.H. In einem weiteren Bescheid des Regierungspräsidenten Darmstadt vom 25. März 1991 erkannte dieser als Folgen eines am 18. Februar 1991 von der Klägerin erlittenen Dienstunfalls eine Chondromalazie med. u. lat., Innenmeniskuslaesion, Teilruptur VKB an. Es gelangte alsdann noch ein Bericht über eine arthroskopische Operation vom 10. Dezember 1992 des Zentrums für Arthroskopische Chirurgie (Wiesbaden) zu den Akten. Der Beklagte holte Befundberichte ein bei Dr. … (Internist, Wiesbaden) vom 11. September 1993 und Dr. … (Orthopäde, Wiesbaden) vom 4. Oktober 1993. Letzterer berichtet über Schmerzen der Klägerin an der Wirbelsäule und besonders im rechten Kniegelenk und stellte ein deutliches rechtsseitiges Hinken des Gangbildes fest. Durch Bescheid vom 13. Dezember 1993 stellte der Beklagte daraufhin als Behinderung zu 1. die im Bescheid der Hessischen Ausführungsbehörde für Unfall vom 21. Dezember 1987 anerkannten Folgen des Arbeitsunfalls aus dem Jahre 1973 mit einem GdB von 20, sowie zu 2. ein Verschleißleiden der Wirbelsäule, occipitale Neuralgien mit einem Einzel-GdB von 20 und einen Gesamt-GdB von 30 fest. Auf den Widerspruch der Klägerin vom 28. Dezember 1993, mit dem sie insbesondere darauf hinwies, daß die Folgen des zweiten Dienstunfalls vom Februar 1991 nicht berücksichtigt worden seien, und nach Übersendung des Bescheides des Regierungspräsidenten Darmstadt vom 16. Mai 1994 über die Ablehnung von Unfallausgleich wegen des Dienstunfalls vom 18. Februar 1991, forderte der Beklagte ärztliche Unterlagen vom Regierungspräsidium Darmstadt an. In einem Gutachten für den Regierungspräsidenten führt Dr. … aus, daß ein Körperschaden nach dem Unfall vom 18. Februar 1991 nicht zurückgeblieben sei. Es ist alsdann noch ein Bericht über eine arthroskopische Operation vom 15. April 1994 des Zentrums für Arthroskopische Chirurgie (Wiesbaden) zu den Akten gelangt, und der Beklagte hat durch Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 1995 den Widerspruch unter der Maßgabe zurückgewiesen, als Behinderung zu 3. eine Retropatellaarthrose beiderseits mit Bewegungseinschränkung beider Kniegelenke zusätzlich festzustellen. Da dies einen Einzel-GdB von 10 nach sich ziehe, verbleibe es bei dem Gesamt-GdB von 30.

Auf die Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden vom 2. März 1995 hat dieses Befundberichte eingeholt bei Dr. … vom 15. Mai 1995 und Dr. … vom 22. Mai 1995. Hierzu hat Dr. … für den Beklagten am 27. Juni 1995 Stellung genommen, und das Sozialgericht Wiesbaden hat ein orthopädisches Sachverständigengutachten bei Dr. … (Groß-Gerau) vom 11. September 1995 in Auftrag gegeben. Dieser diagnostiziert ein rezidivierendes HWS- und Schulter-Nacken-Syndrom, ein rezidivierendes pseuderadikuläres Syndrom der Lendenwirbelsäule bei mäßigen Spondylarthrosen und Baastrup-Phänomen im Lendensattel sowie funktionell bedeutender rechtskonvexer Skoliose, Chondropathie des rechten Knies 2....

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