Leitsatz (amtlich)

Die eine Fortbildungsmaßnahme abschließende Prüfung ist auch dann Teil der Bildungsmaßnahme, wenn sie an einem anderen Ort im Anschluß an das Ende des Lehrgangs abgelegt wird.

Die Beklagte hat dem Förderungswilligen, der für die Ablegung der Prüfung bei seinem Arbeitgeber unbezahlten Urlaub nimmt, Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 1 AFG zu gewähren.

Der Verdienstausfall für die Tage der Prüfung ist von der Beklagten nicht zu ersetzen, da es sich nicht um Kosten im Sinne von §§ 45 AFG, 18 A FuU handelt, die durch die Fortbildungsmaßnahme unmittelbar entstehen.

 

Normenkette

AFG §§ 34, 44-45; Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (A FuU) §§ 10, 12, 18

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 21. November 1972 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 10. März 1972 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 1972 sowie der Bescheid vom 23. Mai 1972 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Tage der Ablegung der Prüfung als Hochbautechniker vom 27. Februar 1972 bis 3. März 1972 und vom 22. März 1972 bis zum 25. März 1972 Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 1 AFG im gesetzlichem Umfange zu bewilligen. Insoweit wird die Berufung zurückgewiesen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger 2/3 seiner Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte für die Tage der schriftlichen und mündlichem Technikerprüfung dem Kläger Leistungen wegen des entstandenen Verdienstausfalles zu erbringen hat.

Der im Jahre 1935 geborene Kläger, der den Beruf eines Maurers erlernt hat und seit dem 1. Mai 1958 als Maurerpolier bei der Fa. W. R. & S. in V. beschäftigt ist, hatte in der Zeit vom 1. Dezember 1967 bis zum 29. Januar 1972 an einem Lehrgang des DAG-Technikums E., einer gemeinnützigen Fernunterrichts-GmbH, in der Fachrichtung Hochbautechnik teilgenommen. Die Maßnahme hatte insgesamt sechs Semester Fernunterricht sowie ergänzenden Nahunterricht umfaßt, der für die ersten vier Semester als berufsbegleitender Teilzeitunterricht in Kassel und für das 5. und 6. Semester in der Zeit vom 26. Juli 1971 bis zum 14. August 1971 und vom 10. Januar 1972 bis zum 29. Januar 1972 als Vollzeitunterricht in Seminarform in D. abgehalten wurde. Auf seine Anträge vom 21. Mai 1970, 15. Juli 1971, 23. Dezember 1971 und 11. Januar 1972 hatte die Beklagte die Lehrgangsgebühren, die Kosten für Lernmittel sowie die Fahrtkosten übernommen und dem Kläger für den Vollzeitunterricht vom 26. Juli 1971 bis zum 14. August 1971 sowie vom 10. Januar 1972 bis zum 29. Januar 1972 Unterhaltsgeld und Kosten für Unterkunft und Verpflegung bewilligt (Bescheide vom 11. Februar 1971, vom 15. Oktober 1971 und vom 19. Januar 1972).

Am 11. Januar 1972 stellte der Kläger bei der Beklagten eine Förderungsantrag, in dem er als Ende der Maßnahme „März 1972” angab. Der Antrag bezog sich auf die Förderung der in der Zeit vom 27. Februar 1972 bis 3. März 1972 und vom 22. März 1972 bis 25. März 1972 an der Fachhochschule für Bauwesen in H. durchgeführten schriftlichen und mündlichen Externen-Prüfung, an der der Kläger teilnahm. Für die Tage der Prüfung nahm der Kläger bei seiner Arbeitgeberin, der Firma W. R. & S., unbezahlten Urlaub.

Durch Bescheid vom 10. März 1972 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, ein Anspruch auf volles Unterhaltsgeld bestehe nicht, da die Prüfung außerhalb der festgesetzten Maßnahmedauer liege. Für die Tage der mündlichen Prüfung bestehe jedoch Anspruch auf verkürztes Unterhaltsgeld gemäß § 44 Abs. 5 AFG. Ein Unterhaltsgeld für die Zeit vom 27. Februar bis 3. März 1972 könne jedoch nicht gezahlt werden, weil sich der Kläger nicht arbeitslos gemeldet habe.

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und stellte am 15. März 1972 bei der Beklagten den Antrag auf Unterhaltsgeld gemäß § 44 Abs. 5 AFG. Durch Bescheid vom 19. Mai 1972 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, die Prüfung sei nicht Bestandteil, sondern Ziel der Maßnahme. Volles Unterhaltsgeld könne jedoch nur für die Teilnahme an der Maßnahme gewährt werden. Den Antrag des Klägern auf Gewährung von Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 5 AFG lehnte die Beklagte unter Hinweis darauf, daß der Kläger nicht arbeitslos im Sinne von § 101 AFG sei, ab (Bescheid vom 23. Mai 1972). Für die Interne Abschlußprüfung des DAG-Technikums bewilligte die Beklagte den Kläger mit Verfügung vom 23. Mai 1972 die Prüfungsgebühr von 60,– DM. Durch weitere Verfügung vom 6. April 1972 erklärte sich, die Beklagte dem Grunde nach bereit, die Prüfungsgebühr für die staatliche Technikerprüfung zu übernehmen.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger den Verdienstausfall, der ihm durch die Teilnahme an der Externen-Prüfung entstanden ist, zu erstatten. Zur Begründung trug er vor, der von ihm geltend ge...

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