Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Gesundheitsstörung: traumatische Epilepsie. Nachweis: Vollbeweis. haftungsausfüllende Kausalität. weitere Unfallfolge. hinreichende Wahrscheinlichkeit. Theorie der wesentlichen Bedingung. Epilepsie nach unfallbedingtem leichten Schädel-Hirn-Trauma
Leitsatz (amtlich)
Zum Vollbeweis einer Epilepsie als Gesundheitsstörung und zur Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinne nach unfallbedingtem leichten Schädel-Hirn-Trauma.
Orientierungssatz
Zur Diagnose und zum Krankheitsbild einer Epilepsie.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 15. November 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1967 geborene Kläger begehrt die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund eines Wegeunfalles. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Unfalls Großhandelskaufmann bei einem D. Großmarkt gewesen. Seit dem 1. Oktober 2006 bezieht er volle Erwerbsminderungsrente von der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Die Ehefrau des Klägers wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 5. Januar 2007 zur Betreuerin des Klägers bestellt.
Am Samstag, dem 25. Juni 2005, befand sich der Kläger auf dem Heimweg von seiner damaligen Arbeitsstelle, dem D. Großmarkt in B-Stadt, zu seiner Wohnung in A-Stadt. Gegen 14.00 Uhr geriet er bei nassem Straßenzustand nach rechts von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen kleineren Baum (Buschwerk). Er musste von der Feuerwehr aus dem Fahrzeug herausgeschnitten werden. Zur Aufklärung des Unfallereignisses zog die Beklagte die Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 13. Juli 2005, die polizeiliche Unfallakte von der Polizeiautobahnstation F-Stadt vom Unfalltag, das Kfz-Sachverständigengutachten G. vom 30. Juni 2005, das dieser für die Sparkassenversicherung erstattet hatte, sowie das Notfallprotokoll bei. In dem Protokoll vom Unfalltag wird ausgeführt "keine Hinweise für neurologische Störungen". Der Kläger wurde in die Klinik...-Krankenhaus C-Stadt gebracht, wo er zwei Tage, bis Montag, den 27. Juni 2005, verblieb. Der Durchgangsarzt und Chirurg/Unfallchirurg dieses Krankenhauses, Prof. Dr. I., beschrieb den klinischen Befund am Unfalltag wie folgt: "Pat. wach und ansprechbar, zum Unfallhergang orientiert. Kein Anhalt für Commotio cerebri. Oberfl. Kratzverletzung li. parietal. Bei orientierender Untersuchung kein Anhalt für Hirnnervenstörung". Als Erstdiagnosen stellte er eine Prellung der Thoraxwand, eine Distorsion der HWS sowie Prellungen von BWS und LWS fest.
Wegen einer unklaren Synkope und Kollaps am 11. Juli 2005 wurde der Kläger vom 11. bis 18. Juli 2005 erneut in der Klinik ...-Krankenhaus C-Stadt aufgenommen (Zwischenbericht des Krankenhauses vom 18. Juli 2005). Ein am 14. Juli 2005 in der Orthopädischen Klinik C-Stadt durchgeführtes MRT ergab eine "einzelne hyperintense Marklagerläsion links okzipital unklarer Ätiologie (vermutlich alt)". Dr. H., Zentrum für Soziale Psychiatrie Kurhessen stellte bei der ambulanten Weiterbehandlung des Klägers erstmalig deutliche neuropsychologische Defizite fest (Befundbericht vom 31. August 2005).
Vom 17. Oktober 2005 bis zum 19. Juli 2006 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der Neurologischen Klinik der Kurklinik D-Stadt. Die Ärzte der Klinik (Prof. Dr. J., Ltd. Arzt und Ärztlicher Direktor; Dr. K., Oberarzt) stellten im Ergebnis die Diagnosen Schädel-Hirn-Trauma, rezidivierende Bewusstlosigkeit unklarer Genese, DD: Synkopen/komplex-fokale Anfälle, Verdacht auf organische posttraumatische depressive Störung, Verdacht auf organisches Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma; DD: beeinträchtigte Gedächtnisfunktion bei Depression (Bericht der Klinik vom 22. März 2006). Im Verlauf der stationären Behandlung sei es mehrmals zu unklaren Stürzen gekommen, u. a. am 1. November 2005 während der physikalischen Therapie nach einer Massage, wo der Kläger von der Liege gefallen sei. Im anschließend durchgeführten CT hätten sich keine pathologischen Befunde gezeigt. Ein erneutes Ereignis sei am 29. November 2005 gewesen. Hier sei der Kläger liegend im Zimmer gefunden worden, habe eine Prellmarke auf der Stirn gehabt, sei anschließend aggressiv gewesen, desorientiert. Unter der Verdachtsdiagnose eines postiktalen Dämmerzustandes sei die i.-v-Gabe von Tavor erfolgt und der Kläger nach 30 Minuten wieder geordnet gewesen. Das EEG im Anschluss an das fragliche Anfallereignis sowie auch mehrfache EEGs im Verlauf seien unauffällig gewesen (Bericht der Klinik vom 19. Dezember 2005). Ein auf Veranlassung der Klinik durch den Radiologen Dr. L. durchgeführtes MRT des Gehirns vom 10. Januar 2006 ergab kleinere Hämosiderinablagerungen im subcortikalen Marklager, teilweise auch im Cortex, links occipital paramedian mit einer Größe von 4 mm, kleinere Läsionen in der Zentralregion links und im Gyrus frontalis med...