Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.02.1994; Aktenzeichen S-24/Vg-11/89) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 11. Februar 1994 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren Hinterbliebenenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Die Klägerin zu 1) ist die Witwe, die Kläger zu 2) und 3) sind die Kinder des am … 1988 verstorbenen G. D.. Sie beantragten am 5. Juni 1988 Hinterbliebenenversorgung nach dem OEG. Zur Begründung des Antrags führten sie aus, daß G. D. am … 1988 auf dem Werksgelände der Firma D. in H. grundlos von einem türkischen Landsmann erschossen wurde. Nach Prüfung des Antrags lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 1. Juli 1988 die Gewährung von Versorgungsleistungen ab. Zur Begründung führte er u.a. aus, daß Ausländer gemäß § 1 Abs. 4 OEG keinen Anspruch auf Versorgung hätten, wenn die Gegenseitigkeit nicht gewährleistet sei. Die Kläger besäßen die türkische Staatsangehörigkeit. Die Türkei als Heimatstaat der Kläger würde einen deutschen Staatsbürger, der dort Opfer einer Gewalttat geworden sei, nicht in vergleichbarer Weise entschädigen. Damit sei die in § 1 OEG geforderte Voraussetzung der Gegenseitigkeit nicht erfüllt. Der hiergegen am 27. Juli 1988 eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 1988). Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Versorgungsverwaltung des Landes Hessen sei angewiesen worden, die Vorschrift des § 1 Abs. 4 OEG weiterhin auf ausländische Staatsangehörige eines EG-Mitgliedsstaates anzuwenden. Selbst wenn diese verbindliche Weisung nicht bestünde, wäre die Ablehnung zutreffend erfolgt, da die Türkei noch nicht Vollmitglied der EG sei und die für die Gegenseitigkeit entscheidende Freizügigkeit gerade noch nicht bestehe.
Hiergegen haben die Kläger am 2. Januar 1989 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben.
Zur Begründung haben sie vorgetragen, nach Art. 48 Abs. 1 und 2 EWG-Vertrag sei jede auf die Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedsstaaten im Aufnahmestaat in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen verboten. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes gelte dieses Verbot auch für indirekte Diskriminierungen, die nicht auf die Staatsangehörigkeit abstellten, aber die gleiche Wirkung hätten. Nach Art. 7 Abs. 2 der zur Durchführung des Art. 48 erlassenen Verordnung (EWG-Nr. 1612/68) genieße ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaates sei, die gleichen sozialen Vergünstigungen wie inländische Arbeitnehmer. Da Art. 7 Abs. 2 der im Vorsatz genannten Verordnung unmittelbar in der Bundesrepublik Deutschland gelte und Vorrang vor § 1 Abs. 4 OEG habe, seien Arbeitnehmer mit einer Staatsangehörigkeit anderer EG-Mitgliedsstaaten demnach Leistungen nach dem OEG zu gewähren, solange sie ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich der OEG hätten.
Mit Urteil vom 11. Februar 1994 wies das Sozialgericht die Klage ab. Darüber hinaus wies es den Hilfsantrag auf Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zurück.
In den Entscheidungsgründen legte das Sozialgericht u.a. dar, der Anspruch sei ausgeschlossen, weil die Gewalttat vor dem 30. Juni 1990 begangen worden sei (§ 10 Satz 3 OEG i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 21. Juli 1993). Der Beklagte habe den Anspruch nach Hinterbliebenenversorgung nach dem OEG wegen Fehlens der Gegenseitigkeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der türkischen Republik abgelehnt und sich hierbei auf die bis zum Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 21. Juli 1993 gültige Fassung des OEG gestützt. Nachdem das OEG durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten vom 21. Juli 1993 gerade in bezug auf die Anspruchsvoraussetzungen für ausländische Mitbürger, die Opfer von Gewalttaten geworden sind, geändert wurde, sei für die vorliegende Entscheidung der neue Absatz 5 des § 1 OEG i.V.m. § 10 zu prüfen. Nach Abs. 5 Ziff. 1 von § 1 des jetzt geltenden OEG erhielten Ausländer Leistungen wie Deutsche, die sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten. Diese Voraussetzungen seien bei den Klägern unstreitig gegeben. Die Zuerkennung von Hinterbliebenenversorgung habe jedoch daran scheitern müssen, daß der Gesetzgeber in § 10 Satz 3 festgelegt habe, daß dieses Gesetz in den Fällen des § 1 Abs. 5 und 6 nur Anwendung auf Taten finde, die nach dem 30. Juni 1990 begangen worden seien. Vorliegend sei die Straftat jedoch am 18. April 1988 begangen worden. Diese Regelung verstoße auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3). Sicherlich sei von der Klägerseite zu Recht vorgetragen w...