Leitsatz
Wer Steuern in Millionenhöhe hinterzieht, muss mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung rechnen. Auf keinen Fall dürfen wegen der langen Ermittlungsdauer milde Strafen verhängt werden.
Sachverhalt
Im Urteilsfall ging es um eine Gruppe von Personen, die seit Mitte der 90er Jahre mit Bauunternehmen erhebliche unversteuerte Umsätze gemacht und 10 Mio. DM Umsatzsteuer hinterzogen hatte. Es wurden in großem Stil illegal Beschäftigte eingesetzt. Die Angeklagten konnten ihre Machenschaften durch Gründung zahlreicher kurzlebiger Scheinfirmen längere Zeit verschleiern. Das LG hatte zwar Freiheitsstrafen ausgesprochen, diese aber wegen der langen Verfahrensdauer zur Bewährung ausgesetzt.
Außergewöhnlich deutlich rügt der BGH die in Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren mittlerweile gängige Praxis, schon wegen der langen Ermittlungsdauer milde Strafen zu verhängen. Die Entscheidung verweist auf die besondere Sozialschädlichkeit derartiger schwerer Wirtschaftskriminalität, die neben Steuerhinterziehungen auch zur Verkürzung von Sozialabgaben führt; außerdem werden legal arbeitende Unternehmen durch die so ermöglichten "Billigangebote" massiv in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. Aus diesen Gründen widerspricht der Senat generell gewährten Strafreduzierungen. Vor allem in den Fällen, in denen justizielle Mängel, wie z. B. eine unzureichende Sach- und Personalausstattung der Gerichte, zu einer Verfahrensverzögerung führen, dürfen diese Abschläge nur minimal ausfallen.
Überdies verlangt der BGH angesichts der Hinterziehungshöhe Freiheitsstrafen, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Es sei schon sehr fraglich, ob eine Bewährungsstrafe dem Unrechtsgehalt einer Steuerhinterziehung gerecht werden kann, wenn der Hinterziehungsschaden deutlich im Millionenbereich liegt und nicht erhebliche Strafmilderungsgründe vorhanden sind, wie z. B. eine weitgehende Schadenswiedergutmachung. Dies gilt auch, wenn der Täter "nur" Einnahmen verschweigt, um sie ungeschmälert für sich zu verwenden. Vorliegend war es den Angeklagten gelungen, mit einem auf Dauer angelegten, gut organisierten und an veränderte Umstände anpassungsfähigen kriminellen Hinterziehungssystem jahrelang hohe Hinterziehungen zu bewirken. Sie haben damit, auch ohne Berücksichtigung der verkürzten Sozialversicherungsbeiträge, dem Fiskus Schäden in Millionenhöhe zugefügt. Bei derartigen Sachverhalten sieht der Senat keinen Raum mehr für Bewährungsstrafen. Das LG muss die Sache unter Berücksichtigung dieser Grundsätze jetzt neu verhandeln. Der BGH hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er schon Strafen zwischen 3 und 3,5 Jahren bei diesen Hinterziehungsbeträgen gerade noch für vertretbar hält.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 29.11.2006, 5 StR 324/05