Normenkette
§ 25 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 2 WEG, § 1030 BGB, § 1066 Abs. 1 BGB
Kommentar
1. Die Beschlussanfechtungsanträge einer Nießbraucherin am Wohnungseigentum wurden zu Recht vom Amts- und Landgericht als unzulässig verworfen, da dieser Antragstellerin kein Antragsrecht im Sinne von § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG zusteht. Die nießbrauchsberechtigte Antragstellerin ist zwar am Verfahren formell beteiligt, aber nicht materiell Beteiligte im Sinne von § 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG und damit auch nicht antragsberechtigt (ebenso ausdrücklich Staudinger/Wenzel, BGB, 12. Aufl., § 43 WEG, Rn. 15; F. Schmidt, MittBayNot 1997, 65/68; a.A. KG Berlin, NJW-RR 1987, 973; LG München II, NJW-RR 1994, 1497; LG Ingolstadt, MittBayNot 1996, 440; Bärmann, Wohnungseigentum Rn. 239).
2. Gegen ein Antragsrecht eines Nießbrauchers spricht zunächst der Wortlaut des Gesetzes, dem aus Gründen der Rechtssicherheit auch hier erhebliche Bedeutung zukommen muss. Abzustellen ist nach Ansicht des Senats aber auch auf die Interessenlage, wie sie sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen den Wohnungseigentümern einerseits und zwischen Nießbraucher und Eigentümer der belasteten Wohnung andererseits ergibt; aus der Regelung des § 1066 Abs. 1 BGB folgt nichts anderes.
3. Die anstehende Problematik wird überwiegend im Zusammenhang mit der Stimmrechtsberechtigung in der Eigentümerversammlung behandelt. Stimmrecht und Antragsrecht sind zwar nicht gleichzusetzen; es liegt aber nahe, sie gleich zu behandeln und dem Nießbraucher, wenn und soweit ihm das Stimmrecht gem. § 25 WEG zuerkannt wird, auch das Antragsrecht zuzusprechen (so wohl auch OLG Hamburg, NJW-RR 88, 267). Das Recht, die Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses zu beantragen, ist die verfahrensrechtliche Ergänzung des Stimmrechts. Insbesondere dann, wenn sich ein Eigentümer bei der Abstimmung nicht durchsetzen kann, dient das Anfechtungsrecht der Weiterverfolgung des über das Stimmrecht nicht erreichten Ziels.
Der Senat schließt sich der Ansicht an, die allein dem Eigentümer trotz Belastung seines Wohnungseigentums mit einem Nießbrauch das ausschließliche Stimmrecht in der Eigentümerversammlung einräumt (Münchner Kommentar/Röll, BGB, 3. Aufl., Rn. 22, Soergel/Stürner, BGB, 12. Aufl., Rn. 7, Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., Rn. 129, jeweils zu § 25 WEG; Sauren, WEG, 2. Aufl., Rn. 9, Henkes/Niedenführ, WEG, 4. Aufl., Rn. 6, jeweils zu § 25; Bader/Pig, 25, Seiten 67/71, Belz, Handbuch des Wohnungseigentums, 3. Aufl., Rn. 210; Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 2. Aufl., Rn. 152; Rieke, DWE 91, 98/59; F. Schmidt, a.a.O., Seite 67ff., 70); daraus folgt auch das ausschließliche Antragsrecht des Eigentümers gem. § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG (also nicht des Nießbrauchers).
Damit wird auch die Meinung abgelehnt, die dem Nießbraucher anstelle des Eigentümers das Stimmrecht in denjenigen Angelegenheiten einräumt, die unter sein aus dem Nießbrauch hergeleitetes Nutzungs- und Verwaltungsrecht fallen (Palandt/Bassenge, BGB, 57. Aufl., Rn. 2b; Augustin, 12. Aufl., Rn. 24; Ermann/Ganten, BGB, 9. Aufl., Rn. 3, jeweils zu § 25 WEG; Staudinger/Frank, 13. Aufl., § 1066, Rn. 12; Bärmann/Merle, WEG-Kommentar, 7. Aufl., § 25 Rn. 13f.; Deckert, ETW, Gruppe 5, Seite 29). Abzulehnen ist auch die Ansicht des KG Berlin (NJW-RR 87, 973) und des OLG Hamburg (NJW-RR 88, 267), die dem Nießbraucher das Stimmrecht in den Angelegenheiten zubilligen, die sich auf die Verwaltung, den Gebrauch und die Nutzung des belasteten Wohnungseigentums beziehen. Abzulehnen ist weiterhin die Entscheidung des LG München II (NJW-RR 1994, 1497), die dem Nießbraucher das Stimmrecht zubilligt, wenn es um die Bestellung des Verwalters geht.
Eine für die Praxis brauchbare Trennung nach Angelegenheiten, die den Nießbraucher betreffen, und solchen Angelegenheiten, die trotz des Nießbrauchs den Eigentümer berühren, lässt sich nach Meinung des Senats nicht durchführen. Das Stimmrecht muss demjenigen zustehen, der durch die Beschlussfassung unmittelbar betroffen, vor allem zu Zahlungen oder sonstigen Leistungen verpflichtet wird. Dies ist aber auch bei einem mit einem Nießbrauch belasteten Wohnungseigentum nur dessen Eigentümer. Dafür sprechen auch die gesetzlichen Regelungen des § 14 Nr. 2 WEG, § 16 Abs. 2 WEG i.V.m. § 28 Abs. 2 und 5 WEG. Eine Verpflichtung des Nießbrauchers, zu den Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums beizutragen, ergibt sich demgegenüber nicht aus § 16 Abs. 2 WEG, sondern aus seinen Rechtsbeziehungen zum Eigentümer, insbesondere aus dem zum Inhalt des Nießbrauchs gewordenen gesetzlichen Schuldverhältnis, und besteht nur diesem gegenüber. Verbindlich sind auch Beschlussfassungen nur gegenüber dem Eigentümer; schon deshalb müssen ihm in diesen Angelegenheiten Stimmrecht und Anfechtungsrecht zustehen.
Der Nießbraucher hat nach § 1041 Satz 2 BGB auch nur für die gewöhnliche Unterhaltung der belasteten Sache aufzukommen; die Kosten einer außergewöhnlichen Reparatur oder Erneuerung hat der Eigentümer ebenso zu tragen,...