Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 1004 BGB, Art. 5 GG, Art. 12 GG, Art. 14 GG
Kommentar
1. Eine Wohnanlage war an das Breitbandkabelnetz mit Empfangsmöglichkeiten von etwa 30 Fernsehprogrammen angeschlossen. Der Ehemann einer Miteigentümerin (und Antragstellerin) hatte als Radio- und Fernsehtechnikermeister an der Außenwand der Wohnung eine grün gestrichene Parabolantenne und eine Holzverblendung angebracht. Die Eigentümer beschlossen dann, dass die Antragstellerin die Parabolantenne abzubauen habe.
Die Anfechtung der Antragstellerin wurde vom AG abgewiesen, die dagegen eingelegte Erstbeschwerde vom LG zurückgewiesen. Der Senat hob die Entscheidung des LG in der Rechtsbeschwerdeinstanz auf und verwies die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.
2. In der hier einschlägigen Gemeinschaftsordnung war vereinbart, dass Wohnungen nur zu Wohnzwecken, nicht zu gewerblichen Zwecken benutzt werden dürften; nicht gestattet sei z.B. die Einrichtung einer Werkstätte und die gewerbsmäßige Erteilung von Musikunterricht; Ausnahmen bedürften der schriftlichen Zustimmung des Verwalters. Zusätzlich war geregelt, dass bauliche Änderungen an und in der Wohnung (Um-, An- und Einbauten), soweit dadurch das gemeinschaftliche Eigentum berührt werde, der schriftlichen Zustimmung des Verwalters bedürften; das Gleiche gelte für die Anbringung von Antennen; bei Beseitigung baulicher Änderungen habe der Wohnungseigentümer auf seine Kosten den alten Zustand wiederherzustellen. Weiterhin war vereinbart, dass Eigentümer an der äußeren Gestalt des Gebäudes keine baulichen Änderungen vornehmen dürften. Zuletzt fand sich noch zu dieser Thematik die Vereinbarungsklausel, dass für bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgingen, § 22 WEG gelte, allerdings mit der Ausnahme, dass alle Maßnahmen, die erforderlich seien, um die bestehenden baulichen Anlagen und Einrichtungen des gemeinschaftlichen Eigentums auf dem modernsten Stand der Technik zu erhalten und zu bringen, in Abweichung von § 22 Abs. 1 WEG zu den Angelegenheiten ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne des § 21 WEG gehörten.
3. Zunächst stellte der Senat fest: Die vom Ehemann der Antragstellerin an der Außenseite des Gebäudes angebrachte Parabolantenne stellt eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums dar, die über ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgeht. Zu einer solchen Maßnahme ist grundsätzlich die Zustimmung derjenigen Eigentümer erforderlich, die dadurch in ihrem Recht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden (h.R.M., § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG). Das LG hat hierauf deshalb nicht abgestellt, weil die nach der genannten Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung für die Anbringung einer Antenne erforderliche Zustimmung des Verwalters fehlte.
Der Eigentümerbeschluss auf Beseitigung steht nach Meinung des Senats aber nur dann in Einklang mit der Gemeinschaftsordnung und der gesetzlichen Regelung des § 22 WEG, wenn ihm nicht Grundrechte der Antragstellerin oder ihres Ehemannes entgegenstehen. Vorliegend stehen das grundrechtlich geschützte Eigentum der übrigen Eigentümer ( Art. 14 GG) mit dem ebenfalls grundsätzlich geschützten Recht auf Informationsfreiheit des betroffenen Eigentümers ( Art. 5 GG) in Widerstreit. Nach Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Mietrecht und nachfolgend zum Wohnungseigentumsrecht hat eine fallbezogene Abwägung der widerstreitenden Interessen stattzufinden (vgl. BVerfG, NJW 1994, 1147, NJW 1995, 1665; BayObLG, WM 95, 224/226; BVerfG, NJW 93, 1252 und 94, 2143 sowie 95, 1665). Die Rechtsprechung der wohnungseigentumsgerichtlichen Fachgerichte folgte dieser Rechtsprechung (vgl. OLG Stuttgart, WM 96, 177; OLG Frankfurt, ZMR 97, 607; OLG Hamm, ZMR 98, 188). Die danach gebotene Interessenabwägung ist grundsätzlich und insbesondere bei Beteiligung eines Ausländers auch dann vorzunehmen, wenn ein Anschluss an das Breitbandkabel vorhanden ist (OLG Stuttgart). Andererseits wird bei einem solchen Anschluss das Informationsinteresse des einzelnen Eigentümers in der Regel hinter den Interessen der übrigen Eigentümer am Schutz ihres Miteigentums zurückzutreten haben (OLG Frankfurt). Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn im Einzelfall eine nennenswerte Beeinträchtigung des Eigentums mit der Anbringung einer Parabolantenne nicht verbunden ist, insbesondere eine im Vordergrund stehende optische Beeinträchtigung ausscheidet. Bei der gebotenen Interessenabwägung ist daher von Bedeutung, ob und in welchem Umfang das Eigentum beeinträchtigt wird.
Hier hätte das LG aufgrund des widersprüchlichen Vortrags die Einnahme von Augenschein vornehmen müssen. Da dies nicht geschehen ist, musste die Sache an das LG zurückverwiesen werden, da anhand der in den Akten befindlichen Lichtbilder die erforderlichen Feststellungen nicht mit notwendiger Zuverlässig...