Leitsatz
Nach einem aktuellen EuGH-Urteil darf die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht wegen eines verspäteten Buchnachweises verweigert werden. Entscheidend sind die materiellen Tatsachen.
Der BFH hatte den EuGH um Entscheidung gebeten, ob ein Mitgliedstaat die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung versagen kann, wenn der Buchnachweis nicht rechtzeitig erbracht wurde, aber tatsächlich eine innergemeinschaftliche Lieferung vorlag.
Sachverhalt
Nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung ist der Buchnachweis materiell-rechtliche Voraussetzung der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen. Die Aufzeichnungen für den Buchnachweis müssen laufend und unmittelbar nach Ausführung der jeweiligen Umsätze vorgenommen werden (BFH, Urteil v. 28.2.1980, V R 118/76, BStBl 1980 II S. 415). Die Verwaltung wendet diese Aussagen bislang entsprechend auch für den Nachweis innergemeinschaftlicher Lieferungen an.
Nach dem EuGH-Urteil sind formelle Verpflichtungen als Voraussetzung der Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen dann unverhältnismäßig, wenn diese Verpflichtungen greifen, ohne dass die materielle Ausgangssituation beachtet wird. Der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer verlangt, dass die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen dafür vorliegen. Das gilt selbst dann, wenn bestimmte formelle Verpflichtungen nicht erfüllt sind. Ein Verstoß gegen formelle Verpflichtungen kann nur dann entscheidend sein, wenn dadurch der sichere Nachweis verhindert würde, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung vorliegen.
Die Forderung der deutschen Finanzverwaltung, den Buchnachweis zeitnah zu erbringen, verletzt den Grundsatz der Rechtssicherheit. Es muss dem Unternehmer erlaubt sein, auch einige Zeit nach einem Umsatz noch Korrekturen in der Buchführung aufgrund von Umständen anzubringen, die er selbst nicht zu vertreten hat.
Hinweis
Aus dem Urteil folgt, dass Buchnachweise regelmäßig nicht (mehr) zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen gehören (dies gilt grundsätzlich nur noch für die materiellen Voraussetzungen, wie tatsächliches Gelangen der Gegenstände in den Bestimmungsmitgliedstaat, Abnehmer ist Unternehmer usw.). Es ist aber nach wie vor Sache des liefernden Unternehmers (insbesondere durch entsprechende Belege) nachzuweisen, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt sind.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil v. 27.9.2007, C-146/05.