Leitsatz
Weiß der Gläubiger, dass der Schuldner nicht in der Lage ist oder voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit im Wesentlichen zu erfüllen, so weiß er in der Regel auch, dass dessen Rechtshandlung die Gläubiger benachteiligt.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
InsO § 133 Abs. 1 S. 2
Kommentar
Zwischen dem Eigentümer eines Gebäudes und einem Gastwirt bestand seit August 2001 ein Mietverhältnis über Räume zum Betrieb eines Restaurants zu einer monatlichen Miete von ca. 2.500 EUR. Der Vermieter hat den Mietvertrag am 27.10.2002 fristlos wegen eines Zahlungsrückstands von ca. 5.300 EUR gekündigt. Der Mieter hat die Räume allerdings zunächst nicht an den Vermieter zurückgegeben, sondern das Restaurant bis Ende November 2004 weiter betrieben. Während dieser Zeit hat der Mieter unregelmäßige Zahlungen in Höhe von insgesamt 22.080 EUR geleistet. Unter Berücksichtigung dieser Zahlungen verblieb ein Mietückstand von ca. 46.500 EUR.
Am 11.5.2005 wurde über das Vermögen des Mieters das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter hat den Vermieter im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr der vom Mieter erbrachten Zahlungen in Höhe von 22.080 EUR in Anspruch genommen.
Nach § 129 Abs. 1 InsO kann der Insolvenzverwalter eine die Insolvenzgläubiger benachteiligende Rechtshandlung, die der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat, anfechten. Zu den Rechtshandlungen in diesem Sinn zählen im Fall der Mieterinsolvenz auch Zahlungen des Mieters an den Vermieter. Die Anfechtung bewirkt, dass der Vermieter die Zahlungen der Insolvenzmasse zurückgewähren muss (§ 143 Abs. 1 InsO). Der Vermieter kann dann anteilsmäßige Befriedigung entsprechend der Insolvenzquote verlangen.
Die Anfechtungsgründe sind in den §§ 130 ff. InsO geregelt. Nach § 133 Abs. 1 InsO liegt im Fall der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung ein Anfechtungsgrund vor. Der Tatbestand setzt voraus,
(1) dass die Zahlung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleistet wurde;
(2) dass der Mieter hierbei mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung gehandelt hat und
(3) dass der Vermieter zur Zeit der Entgegennahme der Zahlungen den Vorsatz des Mieters kannte.
Nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO wird die Kenntnis des Vermieters widerleglich vermutet, wenn dieser wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Mieters drohte und dass die Zahlung die anderen Gläubiger benachteiligt.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts reicht es für die Annahme einer Vermutung nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO nicht aus, wenn der Vermieter weiß, dass der Mieter überschuldet ist. Erforderlich sei vielmehr, dass der Vermieter von der Benachteiligung anderer Gläubiger Kenntnis habe. Diese Ansicht teilt der BGH nicht. Danach genügt es, wenn der Vermieter von Umständen Kenntnis hat, die auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Mieters hindeuten. Hiervon sei auszugehen, wenn der Mieter über einen längeren Zeitraum hinweg seine Mietforderungen nicht erfüllt. In einem solchen Fall muss der Vermieter damit rechnen, dass weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen vorhanden sind.
Bei dieser Auslegung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO kommt es also maßgeblich darauf an, ob der Vermieter von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Mieters Kenntnis hat. Dies hat der BGH für den vorliegenden Fall im Hinblick auf die Höhe der Rückstände von zuletzt 46.500 EUR angenommen. Der Vermieter kann die aus § 133 Abs. 1 S. 2 InsO folgende Vermutung widerlegen, wenn er Umstände darlegt, aus denen sich ergibt, dass der Mieter zwar die Miete nicht gezahlt, seine anderen Gläubiger aber befriedigt hat. Hierfür ist der Vermieter beweispflichtig.
Im Entscheidungsfall hat der Vermieter vorgetragen, der Mieter habe bei der Vornahme der Zahlungen jedesmal erklärt, er habe auf den Rat seines Anwalts zunächst seine anderen Gläubiger befriedigt, um seinen laufenden Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Der BGH hat diesen Vortrag für erheblich erachtet und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 20.11.2008, IX ZR 188/07BGH, Urteil v. 20.11.2008, IX ZR 188/07, NJW-RR 2009, 395 m. Anm. Nassall, jurisPR-BGHZivilR 3/2009 Anm. 2