Leitsatz
Der Insolvenzverwalter kann Zahlungen des Mieters auf Mietrückstände anfechten, wenn dessen Verbindlichkeiten über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und dem Vermieter bewusst ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt. Der Umstand, dass der Mieter mit den Mietzahlungen für die Zeit von 4 Monaten in Verzug gekommen ist, rechtfertigt die Anfechtung für sich allein nicht.
(Leitsatz der Redaktion)
Normenkette
InsO §§ 129, 133 Abs. 1
Kommentar
Zwischen den Parteien bestand ein Mietvertrag über Gewerberäume zu einer Monatsmiete von 2.700 EUR. Die Miete für den Monat März 2007 hat der Mieter nicht bezahlt; im Juni 2007 hat er die Zahlungen endgültig eingestellt. Wegen der rückständigen Mieten für März, Juni, Juli und August 2007 erwirkte der Vermieter einen Vollstreckungstitel in Höhe von 10.800 EUR. Diesen Betrag konnte der Vermieter im Wege der Zwangsvollstreckung beitreiben. Mehr als 3 Monate nach der Beitreibung wurde über das Vermögen des Mieters das Insolvenzverfahren beantragt. Der nach Verfahrenseröffnung tätige Insolvenzverwalter nimmt den Vermieter auf Rückzahlung des genannten Betrags in Anspruch.
Ziel des Insolvenzverfahrens ist die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger des Insolvenzschuldners (§ 1 InsO). Aus diesem Grund kann der Insolvenzverwalter eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkte Zahlung des Schuldners nach Maßgabe der §§ 130 ff. InsO anfechten. Was durch die anfechtbare Zahlung aus dem Vermögen des Schuldners abgeflossen ist, muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden (§ 143 Abs. 1 Satz 1 InsO).
Liegt die Zahlung mehr als 3 Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, richtet sich die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO. Diese Vorschrift setzt voraus,
- dass der Schuldner mit dem Vorsatz gehandelt hat, die übrigen Gläubiger durch die Zahlung an den ausgewählten Gläubiger zu benachteiligen und
- dass der ausgewählte Gläubiger den Vorsatz des Schuldners kannte.
In § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ist hierzu ergänzend bestimmt, dass die Kenntnis vermutet wird, wenn der ausgewählte Gläubiger wusste, "dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die (Zahlung) die (übrigen) Gläubiger benachteiligte". Bei dieser Rechtslage kommt es darauf an, ob der Vermieter wegen der Mietrückstände davon ausgehen musste, dass der Mieter zahlungsunfähig ist.
Dies wird vom Gericht verneint: Ein solcher Schluss ist angezeigt, "wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und diesem den Umständen nach bewusst ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt". Die hier fraglichen Rückstände reichen nach Ansicht des Gerichts nicht aus.
Kenntnis des Vermieteranwalts ist nicht zuzurechnen
In dem entschiedenen Fall bestand die Besonderheit, dass der Rechtsanwalt des Vermieters aus seiner Tätigkeit für andere Gläubiger des Mieters wusste, dass dieser zahlreiche Verbindlichkeiten hatte. Deshalb stellt sich die Frage, ob sich der Vermieter die Kenntnis des Rechtsanwalts zurechnen lassen muss. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil der Rechtsanwalt insoweit gegenüber seinen anderen Mandanten zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.
Link zur Entscheidung
OLG Hamburg, Urteil vom 25.02.2011, 4 U 116/09