Leitsatz
1. Pfändet ein Gläubiger eine künftige Mietforderung des Schuldners gegen einen Dritten, richtet sich der für die Anfechtung des Pfändungspfandrechts maßgebliche Zeitpunkt nach dem Beginn des Nutzungszeitraums, für den die Mietrate geschuldet war (Bestätigung von BGH, LM H. 6/1997 GesO Nr. 22, für den Anwendungsbereich der InsO).
2. Ist das durch Pfändung der Mietforderung entstandene Pfandrecht anfechtbar, weil der Nutzungszeitraum, für den die Mieten geschuldet sind, in der anfechtungsrelevanten Zeit begonnen hat, führt dies nicht zur Annahme eines massenneutralen Sicherheitentauschs, dass die Mietforderung zugleich in den Haftungsverband einer Grundschuld fällt.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Normenkette
InsO §§ 129 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1
Kommentar
Der zur Entscheidung stehende Fall betrifft ein vermietetes Grundstück, das im Jahr 1998 zugunsten einer Sparkasse mit einer Grundschuld belastet wurde. Der Eigentümer unterwarf sich wegen des Grundschuldkapitals der sofortigen Zwangsvollstreckung in das Grundstück. Im August 2005 erwirkte die Sparkasse aufgrund der Vollstreckungsunterwerfung einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, durch den die Mietzinsansprüche des Eigentümers gegen den Mieter gepfändet und der Sparkasse zur Einziehung überwiesen wurden. Der Eigentümer ist seit Mai 2006 zahlungsunfähig. Am 12.12.2006 wurde über sein Vermögen auf Antrag der Gläubiger vom 7.7.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Die Sparkasse hat die Mieten für September und Oktober 2006 eingezogen. Der Insolvenzverwalter verlangt die Rückzahlung dieser Beträge.
Der Insolvenzverwalter kann u. a. solche Rechtshandlungen anfechten, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (Anfechtung wegen inkongruenter Deckung), wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist (§§ 129 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Nach der Rechtsprechung ist eine im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung (hier: das Pfandrecht an den Mieten) als inkongruent anzusehen, wenn sie in der "kritischen" Zeit (3 Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder danach) erlangt worden ist (BGH, NJW-RR 2008 S. 1441). Hier wurden die Mietzinsansprüche zwar durch die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses im August 2005 gepfändet. Soweit sich das Pfandrecht aber auf künftige Mietzinsansprüche bezieht, entsteht es erst mit der Fälligkeit der jeweiligen Mieten. Es geht also um die Mieten für September und Oktober 2006; sie sind damit erst nach dem Eröffnungsantrag (7. Juli 2006) entstanden und unterliegen somit der Anfechtung.
Nach allgemeinen Grundsätzen schadet es nicht, wenn eine insolvenzfeste Sicherheit gegen eine gleichwertige Sicherheit ausgetauscht wird (massenneutraler Sicherheitentausch). Diese Voraussetzung ist in den Fällen der vorliegenden Art aber nicht gegeben. Zwar unterliegen die Mietforderungen dem Haftungsverband der Grundschuld; jedoch führt diese zu keinem anderen Ergebnis. Solange aus der Grundschuld keine Vollstreckungsmaßnahmen betrieben werden (Zwangsverwaltung, Pfändung von Mietforderungen), ist die Haftung nämlich nur eine vorläufige, weil der Grundstückseigentümer trotz der Grundschuld über die Mieten frei verfügen kann. Damit sind diese Forderungen auch dem Zugriff der anderen Gläubiger ausgesetzt.
Die Sparkasse muss die Mieten also an den Insolvenzverwalter zurückzahlen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 17.09.2009, IX ZR 106/08BGH, Urteil v. 17.9.2009, IX ZR 106/08, NJW 2010 S. 444