Leitsatz
Die auf Anweisung des zahlungsunfähigen Zwischenmieters erfolgte Direktzahlung des Endmieters an den Vermieter gewährt diesem eine inkongruente Deckung, welche die Gläubiger des Zwischenmieters objektiv benachteiligt.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
InsO §§ 129 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 143 Abs. 1
Kommentar
Zwischen dem Hauptvermieter und dem Mieter bestand ein Mietverhältnis über eine Wohnung zum Zweck der gewerblichen Weitervermietung (§ 565 BGB). Entsprechend dem Vertragszweck hat der Mieter die Räume im April 2007 einem Endmieter (Untermieter) überlassen. Die Mieten für Juli und Oktober 2007 hat der Mieter nicht bezahlt. Mit Schreiben vom 15.10.2007 wies der Mieter den Endmieter an, die Miete in Höhe von 530 EUR/Monat unmittelbar an den Hauptvermieter zu bezahlen. Dieser Aufforderung ist der Endmieter ab Dezember 2007 gefolgt.
Am 11.3.2008 stellte ein Gläubiger des Mieters einen Insolvenzantrag. Am 28.7.2008 wurde über das Vermögen des Mieters das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Dieser hat das Hauptmietverhältnis zum 31.10.2008 gekündigt. Er nimmt den Hauptvermieter auf Rückzahlung der Mieten für die Zeit ab Januar 2008 in Anspruch.
Der Anspruch folgt aus §§ 129 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 143 Abs. 1 InsO. Nach § 129 Abs. 1 InsO kann der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen anfechten, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen. Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine inkongruente Deckung gewährt. Hiervon ist u.a. dann auszugehen, wenn der Gläubiger in einer Art und Weise befriedigt wird, auf die er keinen Anspruch hatte (§ 131 InsO). Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden (§ 143 InsO).
Wird ein Mietvertrag zum Zweck der gewerblichen Weitervermietung abgeschlossen, kann der Vermieter den Anspruch auf die Miete nur gegenüber dem Mieter geltend machen. Erfolgen die Zahlungen unmittelbar durch den Endmieter, so wird der Vermieter in einer Art und Weise befriedigt, auf die er nach dem Hauptmietvertrag keinen Anspruch hat. In der Insolvenz des Mieters benachteiligen derartige Direktzahlungen die übrigen Gläubiger, weil die Mietzahlungen des Endmieters nicht in die Insolvenzmasse fließen, sondern ausschließlich dem Vermieter zugutekommen.
Die Regelung des § 131 Abs. 1 InsO setzt weiter voraus, dass die Rechtshandlung (hier: die Direktzahlung) im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist (Nr. 1) oder wenn die Handlung innerhalb des 2. oder 3. Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war (Nr. 2). Vorliegend wurde der Eröffnungsantrag im März 2008 gestellt. Zahlungsunfähig wurde der Mieter spätestens im November 2008.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 20.1.2011, IX ZR 58/10, NJW-RR 2011 S. 630