Leitsatz
1. Dem Mieter steht ein Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB zu, wenn ein auf längere Zeit geschlossener Mietvertrag vorzeitig endet und der Vermieter hierdurch Vorteile erlangt, die er bei einer planmäßigen Abwicklung der Vertragsbeziehungen nicht hätte erlangen können.
(Leitsatz der Redaktion)
2. Bei einem Vermieterwechsel im Wege der Zwangsversteigerung ist nicht derjenige Bereicherungsschuldner, der im Zeitpunkt der Vornahme der Investitionen Vermieter war, sondern der Ersteigerer, der die Mietsache vorzeitig zurückerhält (Fortführung des Senatsurteils v. 5.10.2005, XII ZR 43/02, NJW-RR 2006, 294).
(amtlicher Leitsatz des BGH)
3. Für die Höhe des Bereicherungsanspruchs kommt es darauf an, ob der Vermieter infolge der vorzeitigen Rückgabe eine höhere Miete erzielen könnte. Maßgeblich ist nicht die tatsächliche Vermietung, sondern die konkrete Vermietbarkeit zu einem höheren als dem bisherigen Mietzins.
(Leitsatz der Redaktion)
Normenkette
BGB § 812; ZVG § 57a
Kommentar
Am 9.5.1998 vermietete der Grundstückseigentümer Gewerberäume auf die Dauer von 15 Jahren. Am 15.12.2003 – also nach ca. 5 1/2-jähriger Mietzeit – wurde das Grundstück zwangsversteigert. Der Erwerber hat das Mietverhältnis gem. § 57a ZVG gekündigt und Räumungsklage erhoben. Der Mieter hat Widerklage auf Zahlung einer Entschädigung für die von ihm getätigten Investitionen erhoben. Hierzu hat er ausgeführt, dass der Erwerber aufgrund dieser Maßnahmen in den Genuss höherer Mieteinnahmen komme. Diese habe er nach Bereicherungsgrundsätzen an den Mieter herauszugeben.
Die Widerklage hatte Erfolg:
1. BGH bestätigt seine bisherige Rechtsprechung
Nach der Rechtsprechung des BGH steht dem Mieter ein Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB zu, wenn ein auf längere Zeit geschlossener Mietvertrag vorzeitig endet und der Vermieter hierdurch Vorteile erlangt, die er bei einer planmäßigen Abwicklung der Vertragsbeziehungen nicht hätte erlangen können. Die Höhe dieses Anspruchs bemisst sich aber weder nach den Aufwendungen des Mieters noch nach der Wertsteigerung des Mietobjekts, sondern danach, ob der Vermieter infolge der vorzeitigen Rückgabe eine höhere Miete erzielen könnte. Diese Vorteile muss der Vermieter an den Mieter herausgeben (BGH, Urteil v. 8.11.1995, XII ZR 202/94, ZMR 1996, 122; BGH, Urteil v. 5.10.2005, XII ZR 43/02, NJW-RR 2006, 294). An dieser Rechtsprechung hält der BGH fest.
2. Möglichkeit der vorzeitigen Kündigung ohne Bedeutung
In dem Entscheidungsfall hatten die vertragsschließenden Parteien die gesetzliche Schriftform nicht beachtet, sodass eine vorzeitige Kündigung auch außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens möglich gewesen wäre (§ 550 BGB). Dies spielt allerdings keine Rolle. Maßgeblich ist allein, dass der Mieter in die Mietsache investiert, weil er davon ausgeht, dass er die Investitionen für die Dauer der vereinbarten Vertragszeit nutzen kann. Wird der Vertrag vorzeitig beendet, so entfällt der Rechtsgrund für die Investition, mit der weiteren Folge, dass der Vermieter bereichert sein kann.
3. Zwangsversteigerung und Kauf werden gleich behandelt
Wird die Mietsache während der Mietzeit veräußert, so ist der Bereicherungsanspruch gegenüber dem Erwerber geltend zu machen. Dies gilt auch dann, wenn die Investitionen noch während der Zeit, in der der Veräußerer noch Eigentümer war, vorgenommen worden sind ( BGH, Urteil v. 5.10.2005, XII ZR 43/02, NJW-RR 2006, 294, Rdn. 25). Der BGH stellt klar, dass dieser Grundsatz auch dann gilt, wenn der Eigentumsübergang aufgrund eines Zuschlagsbeschlusses in der Zwangsversteigerung erfolgt.
4. Zurückverweisung an Vorinstanz wegen Sachverhaltsklärung
Im Entscheidungsfall wurde die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil die Höhe der Bereicherung noch nicht aufgeklärt war. Der BGH weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Bereicherungsanspruch nicht von der Weitervermietung abhängt. Maßgeblich ist nicht die tatsächliche Vermietung, sondern die konkrete Vermietbarkeit zu einem höheren als dem bisherigen Mietzins.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 29.04.2009, XII ZR 66/07BGH, Urteil v. 29.4.2009, XII ZR 66/07, WM 2009, 1381 m. Anm. Dittert, jurisPR-MietR 15/2009 Anm. 4