Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 48 Abs. 2 WEG, Art. 19 Abs. 4 GG
Kommentar
Das LG Köln ist dieser Ansicht und hat ein Beschlussanfechtungsverfahren gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GGausgesetzt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 48 Abs. 2 WEG mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Es ging um die Anfechtung eines modernisierenden Instandsetzungsbeschlusses (Erneuerung einer Warmwasseraufbereitungsanlage und Einbau von Heizthermostatventilen) bzw. die Finanzierung dieser Maßnahmen über Sonderumlage mit einer anteiligen Belastung je Wohneinheit von DM 3.225,- (bei 186 Wohnungen um ein Gesamtvolumen von aufgerundet DM 600.000,-). Auf der Basis eines vom AG angesetzten Geschäftswertes von knapp DM 600.000,- wurde die Zustellung der Anfechtung von der Einbezahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von DM 3.938,- abhängig gemacht. Die Beschlussanfechtung wurde umfassend auf formelle und inhaltliche Mängel gestützt. Auf Beschwerde der Antragstellerseite hin wurde die Kostenvorschussforderung unter Beibehaltung des Geschäftswertes auf DM 1.020,- (nach KostO) reduziert.
Das LG sieht in dieser hohen Festsetzung des Geschäftswertes und der damit verbundenen Bestimmung der Kostenvorschussanforderung Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip als verletzt an. Der allgemeine Anspruch eines Bürgers auf Justizgewährung sei in diesem Fall nicht mehr gewährleistet. Aus dem Kostenrecht heraus sei eine Verfahrensführung unzumutbar (die Höhe der Kosten sei nicht überschaubar und wirke sich rechtsschutzhemmend aus). Verwiesen wurde auf die bereits ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1960, 1563, Leitsatz und NJW 1980, 1511).
Unter Berücksichtigung der Gerichtskosten nach Kostenordnung und der üblicherweise selbstzutragenden außergerichtlichen Kosten (Anwaltskosten) würden diese Kosten das wirtschaftliche Interesse des anfechtenden Eigentümers weit übersteigen. Nach Auffassung der Kammer bestehe für die gesetzgeberische Entscheidung, den Geschäftswert wegen der Bindungs- bzw. Rechtskraftwirkung auf das Interesse aller Beteiligten festzusetzen (vgl. § 45 Abs. 2 WEG) kein zwingender Grund. Nicht gefolgt werden könne allerdings der Entscheidung des KG Berlin (NJW-RR 1988, 14). Diese Entscheidung bedeute ein "Überspielen" des erkennbaren gesetzgeberischen Willens im Wege der Auslegung; es könne auch nicht eine Geschäftswertbemessung im Wege einer teleologischen Reduktion auf ein vertretbares Maß reduziert werden.
Link zur Entscheidung
( LG Köln, Beschluss vom 04.01.1989, 30 T 209/88= NJW-RR 1989, 202; ebenso Beschluss v. 13. 3. 1989, NJW-RR 1989, 778)
zu Gruppe 7: Gerichtliches Verfahren
Anmerkung:
Die richtige Geschäftswertbemessung in Wohnungseigentumssachen nach § 48 Abs. 2 WEG ("der Richter setzt den Geschäftswert nach dem Interesse der Beteiligten - d. h. im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG aller Beteiligten - an der Entscheidung von Amts wegen fest") steht im Augenblick heftig in Diskussion. Vom LG Köln wurde zwar die Entscheidung des KG Berlin angesprochen, allerdings noch nicht die ebenfalls einschlägige Entscheidung des BayObLG vom 20. 10. 1988, BReg 3 Z 74/88 (Differenzwerttheorie).
Wendet sich ein Antragsteller in seiner Beschlussanfechtung ganz generell gegen die Gültigkeit von Beschlüssen in großen Wohnungseigentümergemeinschaften, ist nach wie vor bei solchen und ähnlichen Sanierungsbeschlüssen i.S. der bisher herrschenden Rechtsmeinung vom Gesamtvolumen der Sanierung als Geschäftswert auszugehen. Es ist keine Frage, dass in großen Gemeinschaften bei vielen Beschlüssen (man denke z.B. auch an Abrechnungs- bzw. Entlastungsbeschlussanfechtungen) hohe Geschäftswerte und damit hohe Kostenrisiken entstehen. Ob dies allein zu einer Verfassungswidrigkeit des § 48 Abs. 2 WEG führen kann (unter Berücksichtigung der Gültigkeit des § 45 Abs. 2 WEG), wird nicht leicht zu entscheiden sein, da alternative Regelungsvorschläge für eine gesetzliche Neufassung insoweit nicht erkennbar sind. Es liegt in der Natur der Sache des Wohnungseigentums, dass es eben kleine und große Eigentümergemeinschaften gibt mit Beschlussentscheidungen über unterschiedlich hohe "Streitgegenstandswerte" (Streitgegenstand ist hier die Gültigkeit oder Ungültigkeit eines gesamten Beschlusses, nicht das Einzelinteresse eines anfechtenden Miteigentümers).
Eine Unzumutbarkeit liegt hier allenfalls in der Progressions- bzw. Degressionskurve der einzelnen Kosten- und Gebührenordnungen (GKG, Kostenordnung, BRAGO). Hier wäre m.E. bei gesetzlichen Korrekturwünschen anzusetzen. Bedenken muss man nämlich auch, dass oftmals nur ein Eigentümer in einer großen Gemeinschaft den Vollzug eines mit überwiegender Mehrheit erwünschten Beschlusses durch seine Anfechtung hemmt (selbst bei schwebender Gültigkeit eines Beschlusses und evtl. Vollzugsmöglichkeit), vielleicht zum Schaden vieler oder aller anderen Eigentümer auf Antragsgegnerseite (so z. B. nach Sachverhalt der noch in 1. Instanz anhängigen Hauptsacheentscheidung zur GW-Entscheidun...