Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlagebeschluß zur Frage der Verfassungswidrigkeit von WEG § 48 Abs 2 (juris: WoEigG)

 

Orientierungssatz

1. Das Landgericht hält WEG § 48 Abs 2 (juris: WoEigG) für verfassungswidrig und holt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ein, ob die Bestimmung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

2. Bei der Bestimmung des Geschäftswertes nach WEG § 48 Abs 2 (juris: WoEigG) ist nach völlig herrschender Meinung wegen der Rechtskraft der Entscheidung für und gegen alle Beteiligten das Interesse aller Beteiligten zugrunde zu legen (vergleiche BayObLG München, 1979-08-29, BReg 2 Z 40/79, BayObLGZ 1979, 312; BayObLG München, 1987-07-02, BReg 2 Z 136/86, WuM 1987, 327 und BayObLG München, 1987-06-03, BReg 2 Z 34/87, WuM 1987, 327). Im vorliegenden Fall, der eine Wohnungseigentumsanlage von 186 Wohnungen betrifft, sieht das Gericht die Festsetzung des Geschäftswertes auf ca 600.000 DM (186 X 3.225 DM) und die damit verbundene Kostenvorschußanforderung in Höhe von 3.988 DM als Verstoß gegen GG Art 19 Abs 4. Durch die Geschäftswertfestsetzung wird das Grundrecht auf Justizgewährung in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verletzt. Der Zugang zu den Gerichten darf nicht durch die Bemessung der Verfahrenskosten unzumutbar erschwert werden (vergleiche BVerfG, 1960-05-31, 2 BvL 4/59, BVerfGE 11, 139).

3. Ein zumutbarer Zugang zu den Gerichten kann auch nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung des WEG § 48 Abs 2 (juris: WoEigG) ermöglicht werden (entgegen KG Berlin, 1987-09-11, 24 W 3293/87, NJW-RR 1988, 14).

4. Der Geschäftswert kann auch nicht im Einzelfall ermäßigt werden (entgegen BayObLG München, 1988-10-20, BReg 3 Z 74/88, WuM 1989, 47).

 

Gründe

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Die Antragstellerin ist Eigentümerin von zwei Eigentumswohnungen in der Eigentümergemeinschaft. Insgesamt gehören zu der Gemeinschaft 186 Wohnungen. Mit ihrem Antrag v. 6.9.1988 hat sich die Antragstellerin gegen Beschlüsse gewandt, die in einer Eigentümerversammlung v. 10.8.1988 gefaßt worden sein sollen.

Nach ihrem Vortrag soll in der Versammlung beschlossen worden sein, die Warmwasserzubereitungsanlage zu erneuern, Heizthermostatventile einbauen zu lassen und zur Finanzierung dieser Maßnahmen eine Umlage in Höhe von insgesamt 3.225,- DM je Wohnung zu erheben.

Die Antragstellerin hat gemeint, die Beschlüsse seien unwirksam, weil sie nicht in einer "formellen Versammlung" getroffen worden seien; außerdem sei die Einladungsfrist nicht eingehalten worden.

Das AG Leverkusen hat durch Beschluß v. 12.10.1988 den Geschäftswert für die Vorschußanforderung gemäß § 8 Abs. 2 KostO mit "aufgerundet" 60.0000,- DM vorläufig festgesetzt, vgl. § 48 Abs. 2 WEG. Die dagegen von der Antragstellerin eingelegte Beschwerde hatte insoweit Erfolg, als die Kammer den Streitwert auf 558,- DM festsetzte (LG Köln, Beschl. v. 2.11.1988 - WM 1989, 105). Die Kammer hat sich dabei von der Erwägung leiten lassen, daß die Antragstellerin nach ihrer Antragsbegründung ersichtlich nur das Zustandekommen der Beschlüsse angegriffen und eine neue Versammlung erzwingen wollte.

Mit Schriftsatz v. 8.11.1988 hat die Antragstellerin nunmehr klargestellt, daß sie die Beschlüsse - ungeachtet der Form ihres Zustandekommens - auch inhaltlich nicht gegen sich gelten lassen will. Das AG Leverkusen hat daraufhin erneut den "Streitwert" auf (knapp) 600.000,- DM festgesetzt und die Zustellung des Anfechtungsantrages von einem Kostenvorschuß in Höhe von 3.988,- DM abhängig gemacht.

Auf die gegen den Beschluß eingelegte Beschwerde hat das AG Leverkusen die Kostenvoranforderung unter Beibehaltung des Geschäftswertes auf 1.020,- DM reduziert.

7624 Mit Beschluß v. 4.1.1989 hat die Kammer das BVerfG angerufen, weil sie die Regelung des § 48 Abs. 2 WEG nicht mit Art. 19 Abs. 4 GG und dem in Art. 20 GG niedergelegten Rechtsstaatsprinzip für vereinbar hält. Da es für die Entscheidung über die Bestimmung des Geschäftswertes auf die Gültigkeit von § 48 Abs. 2 WEG ankommt, war gemäß Art. 100 GG eine Entscheidung des BVerfG einzuholen.

Die Kammer verbleibt auch nach dem Schreiben der Berichterstatterin des BVerfG v. 30.1.1989 bei Ihrer Auffassung.

In Ergänzung des Beschlusses v. 4.1.1989 geht die Kammer von folgenden Erwägungen aus:

Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf der Zugang zu den Gerichten nicht durch die Bemessung der Verfahrenskosten unzumutbar erschwert werden (vgl. BVerfGE 11, 139, 143; vgl. weitere Nachweise im Beschluß der Kammer v. 4.1.1989). Eine solche Erschwerung ist hier gegeben. Insoweit wird auf die Ausführungen in dem Beschluß v. 4.1.1989 Bezug genommen.

Ein zumutbarer Zugang zu den Gerichten kann auch nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 48 Abs. 2 WEG ermöglicht werden.

Wie bereits in dem Beschluß v. 4.1.1989 dargelegt, hält die Kammer die Entscheidung des KG v. 11.9.1987 (NJW-RR 1988, 14ff. (= WM 1988, 103)) für nicht vertretbar. Nach Auffassung der Kammer sprengt die von dem KG vorgenommene Auslegung die Grenzen verfassungskonform...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?