Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Das Verfahren wird ausgesetzt und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob WEG § 48 Abs 2 mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Gründe
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Die Antragstellerin ist Eigentümerin von zwei Eigentumswohnungen in der Eigentümergemeinschaft. Insgesamt gehören zu der Gemeinschaft 186 Wohnungen. Mit ihrem Antrag v. 6.9.1988 hat sich die Antragstellerin gegen Beschlüsse gewandt, die in einer Eigentümerversammlung v. 10.8.1988 gefaßt worden sein sollen.
Nach ihrem Vortrag soll in der Versammlung beschlossen worden sein, die Warmwasserzubereitungsanlage zu erneuern, Heizthermostatventile einbauen zu lassen und zur Finanzierung dieser Maßnahmen eine Umlage in Höhe von insgesamt 3.225,- DM je Wohnung zu erheben.
Die Antragstellerin hat gemeint, die Beschlüsse seien unwirksam, weil sie nicht in einer "formellen Versammlung" getroffen worden seien; außerdem sei die Einladungsfrist nicht eingehalten worden.
Das AG Leverkusen hat durch Beschluß v. 12.10.1988 den Geschäftswert für die Vorschußanforderung gemäß § 8 Abs. 2 KostO mit "aufgerundet" 60.0000,- DM vorläufig festgesetzt, vgl. § 48 Abs. 2 WEG. Die dagegen von der Antragstellerin eingelegte Beschwerde hatte insoweit Erfolg, als die Kammer den Streitwert auf 558,- DM festsetzte (LG Köln, Beschl. v. 2.11.1988 - WM 1989, 105). Die Kammer hat sich dabei von der Erwägung leiten lassen, daß die Antragstellerin nach ihrer Antragsbegründung ersichtlich nur das Zustandekommen der Beschlüsse angegriffen und eine neue Versammlung erzwingen wollte.
Mit Schriftsatz v. 8.11.1988 hat die Antragstellerin nunmehr klargestellt, daß sie die Beschlüsse - ungeachtet der Form ihres Zustandekommens - auch inhaltlich nicht gegen sich gelten lassen will. Das AG Leverkusen hat daraufhin erneut den "Streitwert" auf (knapp) 600.000,- DM festgesetzt und die Zustellung des Anfechtungsantrages von einem Kostenvorschuß in Höhe von 3.988,- DM abhängig gemacht.
Auf die gegen den Beschluß eingelegte Beschwerde hat das AG Leverkusen die Kostenvoranforderung unter Beibehaltung des Geschäftswertes auf 1.020,- DM reduziert.
7624 Das Verfahren war gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG auszusetzen, da die Kammer § 48 Abs. 2 WEG für verfassungswidrig hält und es für die Entscheidung auf die Gültigkeit der Norm ankommt.
Nach § 48 Abs. 2 WEG ist der Geschäftswert nach dem Interesse der Beteiligten an der Entscheidung festzusetzen.
Nach der völlig herrschenden Meinung kommt es dabei wegen der für und gegen alle Beteiligten wirkenden Rechtskraft einer Entscheidung (§ 45 Abs. 2 S. 2 WEG) auf das Interesse aller Beteiligten an (BayObLG Rpfleger 1982, 15; BayObLGZ 1976, 223, 226; BayObLGZ 1979, 312, 314; BayObLGZ ZMR 1987, 382, 384 (= WM 1987, 327 L.); Merle, in: Bärmann, WEG, 6. Aufl., 1987, § 48 Rz. 8; Weitnauer, WEG, 7. Aufl., 1988, § 48 Rz. 2; Röll, in: MünchKomm, WEG, 2. Aufl., 1986, § 48 Rz. 5 Augustin, in: RGRK, WEG, 12. Aufl., 1983, § 48 Rz. 9; Ganten in: Erman, WEG, 7. Aufl., 1981, § 48 Anm. 1; Palandt-Bassenge, WEG, 48. Aufl., 1989, § 48 Anm. 3a). Bei dieser Rechtslage ist es ausgeschlossen, auf das - regelmäßig - geringere Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers abzustellen, der einen Antrag nach § 43 Abs. 1 WEG gestellt hat; eine derartige "Aufspaltung" des Geschäftswertes ist nach § 48 Abs. 2 WEG nicht vorgesehen (vgl. BayObLG Rpfleger 1975, 98; 1979, 386; ZMR 1980, 255; vgl. auch die vorbezeichneten Zitatstellen).
Die Kammer sieht durch die Festsetzung des Geschäftswertes auf knapp 600.000,- DM (186 x 3.225,- DM = 599.850,- DM) und die damit verbundene Bestimmung der Kostenvorschußanforderung Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip als verletzt an.
Nach Art. 19 Abs. 4 GG steht jedermann, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen. Neben diesem spezifischen Auftrag des Art. 19 Abs. 4 GG, Rechtsschutz dort zu gewähren, wo sich der einzelne in einer typischen Abhängigkeit und Unterordnung zur Staatsgewalt befindet (vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 19 Rz. 45), wird durch Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ein allgemeiner Anspruch des Bürgers auf Justizgewährung (begründet) (Schmidt-Aßmann, a.a.O. Rz. 16). Der Standard der allgemeinen Justizgewährung muß sich dabei an den auch für Art. 19 Abs. 4 GG geltenden Kriterien messen lassen und darf nicht wesentlich hinter diesen zurückbleiben (Schmidt-Aßmann, a.a.O. Rz. 17ff.).
Durch die Geschäftswertfestsetzung auf knapp 600.000,- DM wird die Antragstellerin in ihrem Grundrecht auf Justizgewährung gemäß Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verletzt.
Zu dem Kernbereich des durch Art. 19 Abs. 4 GG geschützten Grundrechts gehört der Zugang zu den Gerichten. Dieser Zugang darf von Verfassungs wegen nicht mit Schranken verbunden sein, die eine Inanspruchnahme des Gerichts unzumutbar machen. Eine solche Unzumutbarkeit kann sich a...