Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 5 Abs. 2 WEG, § 21 Abs. 4 WEG, § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG
Kommentar
1. Das Amtsgericht Pforzheim musste sich mit einer rechtlich und tatsächlich pikanten Sache beschäftigen:
Das Innere eines im gemeinschaftlichen Flur gelegenen Briefkastens einer Miteigentümerin war offensichtlich von unbekannter Person mit Kot beschmiert worden. Die Eigentümerin als Antragstellerin verklagte vor dem Wohnungseigentumsgericht die Gemeinschaft auf Verpflichtung, die Verwaltung anzuweisen, nach Einholung von Vergleichsangeboten im Namen der Gemeinschaft, Auftrag an eine Reinigungsfirma zu erteilen und den Briefkasten von den (eingetrockneten) Kotresten zu reinigen.
2. Das Amtsgericht hat diesen Verpflichtungsantrag bestätigt (unter Hinweis auf § 21 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 2 WEG) und ausgeführt, dass der streitgegenständliche Briefkasten (auch soweit dessen Innenseite betroffen sei) zum gemeinschaftlichen Eigentum gehöre, da er sich nicht in den zum Sondereigentum der Antragstellerin gehörenden Räumen, sondern im gemeinschaftlichen Treppenhaus befinde. Auch wenn ein Briefkasten nur dem betreffenden Sondereigentum diene, würde er nur dann auch zum Sondereigentum gehören, wenn dies ausdrücklich in der Teilungserklärung bestimmt wäre, was vorliegend nicht der Fall sei.
Allein der Umstand, dass eine Anlage oder Einrichtung im Bereich des Gemeinschaftseigentums lediglich einem Sondereigentum diene, mache eine solche Anlage oder Einrichtung noch nicht zum Sondereigentum. Zwar sei es im Interesse einer möglichst sparsamen Verwaltung grundsätzlich jedem Wohnungseigentümer zuzumuten, die normale Innenreinigung des ihm zugeordneten Briefkastens selbst durchzuführen, so dass insoweit einer Gemeinschaft keine Kosten entstünden. Dies gelte aber im vorliegenden Fall nicht. Durch den eingenommenen Augenschein des Gerichts sei bewiesen, dass sich im streitgegenständlichen Briefkasten insbesondere im Klappenbereich noch eingetrocknete Kotreste befänden; die Beseitigung dieser Verschmutzungen von Hand sei entweder gar nicht oder jedenfalls nur durch einen unzumutbaren Aufwand seitens der Antragstellerin möglich. Aus diesem Grund seien die Antragsgegner antragsgemäß zu verpflichten, die Verwaltung entsprechend durch Eigentümerbeschluss anzuweisen.
In diesem Zusammenhang führte dann das Gericht noch aus, dass zur Klarstellung darauf hingewiesen werde, dass dieser Beschluss als zustandegekommen fingiert werde, wenn der vorliegende Gerichtsbeschluss rechtskräftig sei ( § 45 Abs. 3 WEG, § 894 ZPO).
3. Entschieden wurde auch, dass die Gerichtskosten sowie die der Antragstellerin durch die Beweisaufnahme entstandenen außergerichtlichen Kosten die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu tragen hätten und i.Ü. keine außergerichtliche Kostenerstattung stattfinde; hinsichtlich der anwaltlichen Beweisgebühr und entsprechender Erstattung wurde dies damit begründet, dass das Bestreiten des Antragsgegnervertreters angesichts der eindeutigen und von ihm jederzeit überprüfbaren Sachlage mutwillig gewesen sei. Der Geschäftswert wurde auf 253 DM festgesetzt.
Link zur Entscheidung
( AG Pforzheim, Beschluss vom 27.05.1994, 2 UR II 9/94 WEG)
Zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung
Anmerkung:
Da sich ähnliche böswillige Briefkastenverschmutzungen leider aus mir bekannten Fällen offensichtlich zur Zeit häufen (strafrechtliche Sachbeschädigung und Beleidigung unter dem Deckmantel der Anonymität), ist natürlich primär zu fragen, ob das Innere eines Briefkastens in einer Wohnanlage tatsächlich ebenfalls zum Gemeinschaftseigentum gehört, also nicht nur die Außenseiten einer Briefkastenanlage in gemeinschaftlichen Raumflächen oder integriert in gemeinschaftlichen Hausaußenwänden. Dies dürfte mit der Entscheidung des Amtsgerichts Pforzheim zu Recht anzunehmen sein, wenn hier nicht ausdrücklich auch dieser kleine Innenraum zumindest über Beschrieb in einer Teilungserklärung einem jeweiligen Sondereigentum zugeordnet wurde (wie dies bisher in der Praxis nicht der Fall ist).
Weiterhin stellt sich natürlich die Frage, ob hier sachenrechtlich überhaupt zulässigerweise am Innenraum eines Briefkastens Sondereigentum begründet werden kann oder ob es sich nicht bei Briefkästen vollständig (auch innenseitig) zwingend um Gemeinschaftseigentum handelt. M.E. kann nicht von zwingendem Gemeinschaftseigentum ausgegangen werden.
Zumindest könnte und sollte nunmehr in neuerlichen, modernen Teilungserklärungen mit Gemeinschaftsordnungen festgeschrieben und vereinbart werden, dass die einzelnen Eigentümer für Instandhaltungen und die Reinhaltung ihrer Briefkästen innenseitig selbst zu sorgen haben; dies wäre eine rechtlich mögliche und wohl auch vernünftige Vereinbarung in Abweichung zum abdingbaren Kostenverteilungsgrundsatz des § 16 Abs. 2 WEG.
Auch aus Kostengesichtspunkten ist es aus meiner Sicht dem einzelnen Eigentümer durchaus zumutbar, jegliche Reinigungen des eigenen Briefkastens selbst vorzunehmen und nicht auch noch Verwalter mit solchen Aufträgen (Einholung von Vergleich...