Dr. Anton Wiedemann, Giulia Novelli
Rz. 8
Von Bedeutung ist die intertemporale Wirkung der EuErbVO. Zunächst gilt eine frühere Rechtswahl fort (Art. 83 EuErbVO). Dies gilt auch für eine gegenständlich beschränkte Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F.
Rz. 9
Beispiel:
Ein it. Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland wählt im Jahr 2014 für sein in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen deutsches Recht nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F. Bei einem Erbfall ab dem 17.8.2015 ist eine frühere Rechtswahl gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F. auch in Italien anzuerkennen, wenn der italienische Staatsangehörige im Zeitpunkt der Rechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte (Art. 83 Abs. 2 EuErbVO). Diese Rechtswahl bleibt nach dem 17.8.2015 auch dann wirksam, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt wieder nach Italien verlegt.
Rz. 10
Nicht wirksam wäre dagegen die Rechtswahl eines Italieners zugunsten des deutschen Rechts, wenn ein Italiener ab 17.8.2015 in einen anderen Staat umzieht, da gem. Art. 46 Abs. 2 S. 2 it. IPRG die nach Art. 46 Abs. 2 S. 1 it. IPRG vorgenommene Rechtswahl als unwirksam zu betrachten ist, wenn der Erblasser sich im Todeszeitpunkt nicht mehr in dem Staat aufhält, dessen Recht er gewählt hat. Nicht wirksam bleibt die Rechtswahl aber auch gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F., wenn ein italienischer Staatsangehöriger, der im Zeitpunkt der Rechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland hatte, für in Deutschland unbewegliches Vermögen deutsches Recht gewählt hatte. Die Begründung: Art. 83 Abs. 2 EuErbVO ordnet die Fortgeltung von Rechtswahlen nur insoweit an, als sie zum Zeitpunkt der Rechtswahl nach dem jeweils anwendbaren nationalen Kollisionsrecht zulässig und wirksam sind. Dies dürfte auch für ältere Testamente aus der Zeit vor Inkrafttreten der EuErbVO gelten. Der Preis dieser Fortgeltungsregelung ist freilich, dass in diesen Altfällen auch weiterhin eine hinkende Erbfolge eintreten kann.
Rz. 11
Zu beachten ist auch die Rechtswahlvermutung des Art. 83 Abs. 4 EuErbVO: Stirbt der Erblasser nach dem 17.8.2015, wird, sofern seine Verfügungen von Todes wegen dem Recht entsprechen, welches der Erblasser nach der EuErbVO hätte wählen können, dieses Recht als das gewählte anwendbare Recht für den ganzen Nachlass betrachtet. Daraus folgt, dass alle vor dem 17.8.2015 verfassten Verfügungen von Todes wegen durch die EuErbVO als "geheilt" anzusehen sind in den Fällen, in denen die Rechtswahl nach früherem Recht fraglich oder gar unzulässig war, sofern bei der letztwilligen Verfügung eine Rechtswahlvermutung zugunsten eines Rechts besteht. Ein bestimmtes Rechtsanwendungsbewusstsein scheint nicht gefordert.
Rz. 12
Beispiel:
Wurde ein Testament durch einen italienischen Erblasser auf der Grundlage deutschen Rechts errichtet, begründet Art. 83 Abs. 4 EuErbVO eine Vermutung, dass deutsches Recht für die Rechtsnachfolge von Todes wegen gewählt ist, auch wenn später ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts erfolgt.
Rz. 13
Damit ergibt sich eine Lösung für einige häufige Fälle, die früher in Bezug auf den italienisch/deutschen Rechtsverkehr zur Unwirksamkeit/Nichtigkeit der Rechtswahl bzw. der Verfügungen von Todes wegen geführt hätten: Insbesondere ist das gemeinschaftliche Testament unter Beteiligung eines Italieners als gültig anzusehen; die Nachlassspaltung bei Immobilien in Deutschland wird vermieden (aber dann deutsches Recht für den ganzen Nachlass; gem. Art. 46 Abs. 2 it. IPRG umfasst die Rechtswahl zwingend den gesamten Nachlass, sog. unbeschränkte Rechtswahl).