Dr. Anton Wiedemann, Giulia Novelli
Rz. 110
Anders als nach deutschem Recht können nach Art. 649 c.c. einzelne, konkret benannte Sachen oder Rechte – bei Gattungssachen entsteht im Zeitpunkt des Erbfalls ein Forderungsrecht des Vermächtnisnehmers – mit unmittelbarer dinglicher Wirkung vermacht werden (sog. Vindikationslegat). Das Eigentum an diesen Sachen oder anderen Rechten – nicht aber der Besitz, dessen gesonderte Einräumung der Bedachte vom Beschwerten noch verlangen muss (Art. 649 Abs. 3 c.c.) –, gehen ipso iure mit dem Erbfall (Eröffnung der Verfügung von Todes wegen) auf den Bedachten über, ohne dass es einer gesonderten Vermächtnisannahme bedarf. Bei minderjährigen oder unter Vormundschaft stehenden Bedachten bedarf es jedoch der Annahme und (wenn sie fehlt, nur mit der Folge der Anfechtbarkeit, nicht der Nichtigkeit) der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht (Art. 320 Abs. 3 c.c.).
Rz. 111
Gegenstand eines Vermächtnisses kann auch ein Nießbrauch an einzelnen Nachlassgegenständen oder an Teilen des Nachlasses sein, nicht am gesamten Nachlass. Verschaffungsvermächtnisse sind nach Maßgabe von Art. 651 Abs. 2, Art. 652 c.c. wirksam.
Rz. 112
Der Erblasser muss den Vermächtnisnehmer und den Vermächtnisgegenstand selbst bestimmen; zumindest muss er ausreichend bestimmbar sein. Unter- und Vorausvermächtnisse sind ebenso wie ein alternatives Vermächtnis (Art. 665 c.c.) zulässig. Auch bei Vermächtnissen geht der Grundsatz der Repräsentation der Anwachsung vor (vgl. Art. 467 Abs. 2, 675, 676, 677 c.c.).
Rz. 113
Auch wenn sich ein Vermächtnis auf einen in Deutschland belegenen Gegenstand bezieht, erfolgt nach der Entscheidung des EuGH zu "Kubicka" entgegen der früheren h.M. ein direkter Eigentumserwerb (siehe Rdn 59 ff.). Gemäß Art. 68 Buchst. m) EuErbVO ist im Nachlasszeugnis das Vindikationslegat auszuweisen.
Rz. 114
Der Vermächtnisnehmer kann das Vermächtnis jederzeit (abgesehen von der Zuwendung eines in Art. 1350 Nr. 1–4 c.c. genannten Grundstücksrechts) formfrei und innerhalb der Zehnjahresfrist – solange keine gerichtliche Erklärungsfrist nach Art. 650 c.c. gesetzt wird – durch einseitige unwiderrufliche, aber anfechtbare Willenserklärung ausschlagen.