Dr. Anton Wiedemann, Giulia Novelli
aa) Allgemeines
Rz. 143
Es bestehen des Weiteren andere Ansprüche nach dem Todesfall, die traditionell nicht als Sondererbfolge qualifiziert werden. Es sind insbesondere gesetzliche Vermächtnisse mit schuldrechtlicher Wirkung, wie z.B. jene zugunsten des überlebenden Ehegatten, dem gerichtlich die Schuld an der Trennung zugesprochen ist, zugunsten des geschiedenen Ehegatten oder zugunsten der Kinder, die nicht anerkannt werden können.
bb) Ehegatte
(a) Anspruch auf eine lebenslange Rente zugunsten des (auch) mit Schuldausspruch getrennt lebenden Ehegatten (gem. Art. 548 Abs. 2. c.c.)
Rz. 144
Voraussetzung ist das Bestehen des Trennungsunterhaltstitels. Dies gilt nicht für den eingetragenen Partner, da für die unioni civili keine Trennung vorgesehen ist.
Fraglich ist, ob die Regelung dem Unterhalts- oder dem Erbstatut unterfällt. Nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. e) EuErbVO sind Unterhaltsansprüche vom Regelungsbereich der EuErbVO ausgenommen. Dies gilt aber nicht für solche, die erst mit dem Tod entstehen.
Nach einigen Stimmen in der Literatur handelt es sich dabei um einen Anspruch, der wegen seiner Unabdingbarkeit zum Pflichterbrecht gehört. Vermehrt wird allerdings die Auffassung vertreten, dass es sich um einen Unterhaltsanspruch handelt, der nicht zum Pflichtteil gehört, da er nur bei Bestehen des Mindesttrennungsunterhalts gewährt wird und diesen nicht übersteigen kann. Hinzu kommt: Gemäß Art. 548 c.c. entsteht keine Pflichtteilsquote; der getrennt lebende Ehegatten wird nicht Erbe und hat nicht die Stellung eines Pflichtteilsberechtigten.
Folgt man der Auffassung, dass der Anspruch erbrechtlich zu qualifizieren ist, stellt sich die weitere Frage, ob ein Verstoß gegen den ordre public wegen Verletzung des Art. 548 Abs. 2 c.c. vorliegt, wenn die für die Erbfolge maßgebende ausländische Rechtsordnung diesen Anspruch nicht anerkennt. Die italienische Lehre bejaht dies grundsätzlich nur, falls die ausländische Rechtsordnung die eigenständige Trennung nicht kennt und der Verlust der Stellung als Ehegatte durch ein diskriminierendes Verfahren erfolgt (ripudio unilaterale). Folgende Umstände sind bei der Entscheidung relevant: Handelt es sich um lebzeitige Schenkungen oder um sonstige Zuwendungen an den Anspruchsberechtigten oder die tatsächliche Familiengemeinschaft, in der die Solidarität auch gelebt worden ist? Ist der Anspruchsberechtigte bereits durch eigenes Einkommen bzw. Vermögen ausreichend versorgt?
(b) Anspruch auf eine Rente zugunsten des geschiedenen Ehegatten (gem. Art. 9 bis lit. d G. 898/1070 (l. div.)
Rz. 145
Zur selben Lösung kommt man in Bezug auf den Anspruch auf eine Rente zugunsten des geschiedenen Ehegatten (gem. Art. 9 bis lit. d G. 898/1970 (l. div.)). Hier ist allerdings festzuhalten, dass nach italienischem Recht dieser Anspruch des geschiedenen Ehegatten als Scheidungsfolge geregelt ist (also nicht im Erbrecht) und im Scheidungsgesetz nicht als mantenimento definiert wird.
cc) Kinder
Rz. 146
Anspruch auf eine lebenslange Rente zugunsten des nicht anerkennungsfähigen Kindes (gem. Art. 580 Abs. 2 c.c.). Dieser Anspruch steht den Berechtigten kraft eigenen Rechts zu. Es handelt sich um ein schuldrechtliches Vermächtnis ex lege. Es gilt als Ersatz für Unterhalt, Erziehung und Förderung und wird als Erbrecht qualifiziert. Die Höhe gleicht der Rendite seiner hypothetischen Erbquote. Das Kind kann eine Kapitalisierung der Rente verlangen. Bedachte Kinder können die testamentarische Verfügung ausschlagen und die Rente in Anspruch nehmen.
Rz. 147
Kollisionsrechtlich ist diese Vorschrift als Eingriffsnormen zu qualifizieren (Art. 17 it. IPRG), so dass sie unabhängig vom Erbstatut zur Anwendung kommt. Dies basiert auf der neuen Norm des Art. 36 bis it. IPRG: "… unabhängig eines anderen anwendbaren Rechts sind die italienischen Normen anzuwenden, die die Pflicht beider Eltern zum Unterhalt des Kindes vorsehen." Geht man allerdings von einem Vorrang des EuErbVO aus, wäre auch hier die Frage nach der ordre-public-Klausel des Art. 35 EuErbVO (i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Buchst. e) EuErbVO) unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zu beantworten.