Dr. Anton Wiedemann, Giulia Novelli
Rz. 59
Das Erbstatut ist grundsätzlich für die Voraussetzungen für den Erwerb der Erbenstellung (titulus) maßgebend, während für den dinglichen Vollzug (modus) das Sachstatut, also i.d.R. das Recht des Belegenheitsortes, maßgebend sein soll.
Rz. 60
Aus italienischer Sicht ist nach überwiegender Auffassung die Differenzierung zwischen titulus und modus durch die EuErbVO entfallen. Beide Aspekte unterstehen nun der lex successionis. Der Ausschluss in Art. 1 § 2 lit. k bezieht sich nur auf Natur und Inhalt der Rechte, nicht jedoch auf die Modalitäten des Übergangs derselben. Die Lösung deckt sich mit der in der Entscheidung Kubicka vertretenen Ansicht des EuGH.
Rz. 61
Nur, wenn man an der bisherigen Unterscheidung zwischen titulus und modus festhält, sind folgende Fälle umstritten:
Rz. 62
Fall 1: Wird bei Geltung eines ausländischen Erbstatuts, das wie das deutsche Recht den Grundsatz des Vonselbsterwerbs kennt, das Eigentum an den Nachlassgegenständen automatisch erworben oder ist infolge Anwendung der lex rei sitae für in Italien belegenes Vermögen in jedem Fall die Annahmeerklärung nach Art. 459 c.c. erforderlich?
Rechtsprechung und Lehre waren uneinheitlich, rechneten aber bei in Italien belegenem Vermögen eines Erblassers, für den deutsches Erbrecht gilt, die Erbschaftsannahme auch zu dem Sachenrechtsstatut unterliegenden modus, da der materielle Rechtsübergang auf den Bedachten der lex rei sitae unterliege; die Annahme der Erbschaft sei zunächst eine Voraussetzung für den Erwerb der Erbenstellung; nichtsdestotrotz sei sie auch dem dinglichen Vollzug zuzurechnen. Daher müsse der Erbe die Erbschaft sowohl dann, wenn für den Erbfall italienisches Recht – sei es aufgrund der Anwendung der EuErbVO oder nach früherem Recht – gilt (Erbschaftsannahme als Teil des titulus), als auch dann, wenn sich Nachlassgegenstände in Italien befinden, das Erbstatut aber nicht italienisches Recht ist (Erbschaftsannahme als Teil des modus), annehmen.
Geht es um den Erwerb einer in Italien belegenen Immobilie, reicht für den Eigentumsübergang bei Anfall durch Erbschaft diese Erbschaftsannahme; eines gesonderten dinglichen Rechtsgeschäfts bedarf es ebenso wenig wie einer Übergabe oder Registereintragung. Dies gilt auch für Gegenden, in denen das österreichische Grundbuchsystem beibehalten wurde. Nach Art. 67, 68 it. IPRG sind grundsätzlich auch ausländische öffentliche Urkunden eintragungsfähig.
Entfällt die Differenzierung zwischen titulus und modus, bedürfte es eigentlich – auch im Lichte der EuGH-Entscheidung "Kubicka" – keiner Annahme mehr. Die Praxis und die vorherrschende Auffassung in Italien ist aber noch anderer Ansicht (siehe Rdn 240).
Rz. 63
Fall 2: Wie sind ein nach italienischem Sachrecht zulässiges Vindikationslegat, die Vorausteilung sowie die dinglichen Wirkungen des Art. 540 Abs. 2 c.c. (Nutzungsrecht des überlebenden Ehegatten an der Ehewohnung und am Hausrat) bei in Deutschland belegenem Vermögen zu beurteilen?
Gemäß Art. 68 Buchst. m) EuErbVO ist im Europäischen Nachlasszeugnis das Vindikationslegat auszuweisen, anders als das nur schuldrechtliche Vermächtnis. Unter der Geltung der EuErbVO stellt sich die Frage der Abgrenzung zwischen Erbstatut einerseits und Sachenrechtsstatut andererseits. Führt ein unter Anwendung der EuErbVO wirksames Vindikationslegat in Deutschland zum automatischen Rechtsübergang?
Diese bisher umstrittene Frage hat der EuGH in der Rechtssache "Kubicka" nun dahingehend entschieden, dass ein nach italienischem Recht zulässiges, dinglich wirkendes Vindikationslegat (Art. 649 c.c.) in Deutschland anzuerkennen ist, so dass – abweichend von der bisherigen Rechtsauffassung – in Deutschland (Vorrang des Sachenrechts vor dem Erbstatut) es bei einer in Deutschland belegenen Immobilie zum Vollzug keiner Auflassung und keiner konstitutiven Grundbucheintragung mehr bedarf. Das Grundbuch ist infolgedessen unrichtig geworden. Es gelten die §§ 22, 35 GBO. Die Eintragung im Grundbuch ist aufgrund des ENZ, in dem das Vindikationslegat ausgewiesen ist, vorzunehmen. Zulässig ist auch ein Teilzeugnis gem. Art. 65, 68 Buchst. m) EuErbVO, für das der Begünstigte antragsberechtigt sein muss.
Strittig ist, ob das Grundbuchamt bei Vorliegen eines ENZ eine Prüfungspflicht hat und ob deutsche Nachlassgerichte in Rechtsfortbildung des § 2353 BGB bzw. gem. § 352c FamFG einen auf den vermachten Grundbesitz beschränkten "Erbschein" (Legatsschein) ausstellen können. Eine Berichtigungsbewilligung des Erben dürfte immer ausreichend sein.
Durch diese dinglich wirkende Zuwendung und Rechtsübertragung sind auch Veräußerungsbeschränkungen, die für rechtsgeschäftliche Übertragungen unter Lebenden gelten (z.B. Ausschluss der Abtretbarkeit von Forderungen, § 399 BGB; Zustimmungsvorbehalte nach § 5 ErbbauRG und § 12 WEG; Vinkulierungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, z.B. § 15 GmbHG) nicht mehr anwendbar.
Die Kubicka-Entscheidung beschränkt sich nicht auf Vermächtnisse im engeren Sinn...