Nils Neuwerth, Dipl.-Kfm. Hans-Joachim Rux
2.1.4.1 Entziehung der Vertretungsmacht der Komplementär-GmbH
Rz. 290
Nach der gesetzlichen Regelung in §§ 127, 161 Abs. 2 HGB kann der Komplementär-GmbH die Vertretungsmacht auf Antrag der übrigen Gesellschafter durch gerichtliche Entscheidung entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund – insbesondere eine grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Vertretung der Gesellschaft – vorliegt. Im gleichen Verfahren und aus entsprechenden Gründen kann ihr die Geschäftsführungsbefugnis entzogen werden, §§ 117, 161 Abs. 2 HGB. In der Praxis geschieht selten das eine ohne das andere. Die Entziehung erfolgt allerdings weniger häufig aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung. Es ist vielmehr üblich, dass die Gesellschaftsverträge abweichend von der gesetzlichen Regelung bestimmen, dass Vertretungsmacht und Geschäftsführungsbefugnis nicht durch gerichtliche Entscheidung, sondern durch einen Mehrheitsbeschluss aller Gesellschafter entzogen werden können. Die Gründe, die eine Entziehung rechtfertigen, werden in der Regel im Gesellschaftsvertrag konkretisiert. Es ist aber auch eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zulässig, wonach die Vertretungsbefugnis durch Mehrheitsbeschluss aller Gesellschafter ohne den Nachweis eines wichtigen Grundes entzogen werden kann.
Rz. 291
Ausnahmsweise ist die Entziehung der Vertretungsmacht unzulässig, wenn es neben der Komplementär-GmbH keine weiteren persönlich haftenden Gesellschafter und damit auch keine weiteren organschaftlich vertretungsberechtigten Gesellschafter gibt. Ließe man auch in diesem Fall eine Entziehung zu, wäre die KG ohne Vertretungsorgan und damit handlungsunfähig. Dies ist mit ihrem Wesen als eine im Rechtsverkehr mit Dritten selbstständig auftretende Einheit nicht vereinbar. Den Kommanditisten bleibt in einer solchen Situation nur die Möglichkeit, sich entweder mit der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis zu begnügen (siehe Rn. 221) oder aber die Auflösungsklage (§ 133 HGB) oder Ausschließungsklage (§ 140 HGB) zu erheben.
Rz. 292
Soweit die Kommanditisten auch Gesellschafter der GmbH sind, hat die Entziehung der Vertretungsmacht der Komplementär-GmbH für eine GmbH & Co. KG keine praktische Bedeutung. Besteht unter diesen Umständen Unzufriedenheit mit der Unternehmensleitung, werden die GmbH-Geschäftsführer – die eigentlichen Leiter des Unternehmens – abberufen.
2.1.4.2 Widerruf der Prokura eines Kommanditisten
Rz. 293
Ist einem Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag Prokura erteilt worden, wird er hinsichtlich ihrer Entziehung besonders geschützt. Entsprechend §§ 117, 127 HGB darf ihm die Prokura nur aus einem wichtigen Grund entzogen werden. Außerdem ist für einen Widerruf einer gesellschaftsvertraglich eingeräumten Prokura ein Gesellschafterbeschluss erforderlich. § 116 Abs. 3 HGB gilt in diesem Fall als abbedungen.§ 52 HGB, wonach eine Prokura jederzeit widerruflich ist, ist auf die Prokura für einen Kommanditisten im Innenverhältnis nicht anwendbar. Ein dennoch erfolgter Widerruf der Prokura ist zwar aus Gründen des Verkehrsschutzes nach außen hin wirksam, der Kommanditist hat aber einen gesellschaftsvertraglichen Anspruch auf Wiedereinräumung der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht.