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Die vorstehend aufgezeigte Verjährung tritt nur dann ein, wenn die Beiträge nicht vorsätzlich vorenthalten worden sind.
Entsprechendes gilt mit Rücksicht auf § 348 Abs. 2 SGB III für die Beiträge zur Arbeitsförderung und mit Rücksicht auf § 10 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) auch für die nach diesem Gesetz erhobenen Umlagen.
Vorenthaltenbedeutet die Nichtleistung der Beiträge trotz Fälligkeit. Die Vorenthaltung muss vorsätzlich erfolgen. Ausreichend ist der bedingte Vorsatz (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil v. 30.3.2000, B 12 KR 14/99 R). Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Schuldner seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Ansprüche auf Beiträge verjähren dabei auch dann in 30 Jahren, wenn der Vorsatz zu ihrer Vorenthaltung bei Fälligkeit der Beiträge noch nicht vorlag, er aber noch vor Ablauf der 4-jährigen Verjährungsfrist eingetreten ist (BSG, a. a. O.).
Von einem bedingten Vorsatz ist wegen der engen Anknüpfung des Beitragsrechts der Sozialversicherung an das Steuerrecht bei Beitragsansprüchen auf der Grundlage eines Prüfberichts/Bescheides der Finanzbehörde nach dem Urteil des BSG v. 30.3.2000 (B 12 KR 14/99 R) dann auszugehen, wenn es sich bei dem in dem Bescheid des Finanzamts nachversteuerten Entgelt um typisches Arbeitsentgelt bzw. um eine verbreitete Nebenleistung handelte, also zwischen der steuerrechtlichen und beitragsrechtlichen Behandlung des zu beurteilenden Arbeitsentgelts eine bekannte und ohne weiteres erkennbare Übereinstimmung besteht.
Zum Vorsatz muss nach dem vorstehend genannten Urteil des BSG das Vorliegen des inneren (subjektiven) Tatbestands festgestellt werden, d. h. anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung individuell ermittelt werden. Allgemein geltende Aussagen zum Vorliegen des subjektiven Tatbestands, also dass die Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen wird, sind nicht ausreichend. Allerdings kann im Rahmen der Beweiswürdigung durchaus von den objektiven Gegebenheiten auf das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes rückgeschlossen oder nach der "Sphärentheorie" die Beweislastverteilung umgekehrt werden (vgl. BSG, Urteil v. 21.3.2007, B 11a AL 15/06 R). Danach ist bei der Beurteilung der Frage, ob Vorsatz vorliegt, zu prüfen
- ob für das gesamte typische Arbeitsentgelt überhaupt keine Beiträge entrichtet worden sind (z. B. Schwarzarbeit),
- ob Beiträge für eine verbreitete "Nebenleistung" zum Arbeitsentgelt nicht gezahlt werden und zwischen steuerrechtlicher und beitragsrechtlicher Behandlung eine bekannte oder ohne weiteres erkennbare Übereinstimmung besteht, oder
- ob kein Vorsatz vorliegt, weil es sich um eine wenig verbreitete Nebenleistung handelt, bei denen die Steuer und Beitragspflicht in komplizierten Vorschriften geregelt sind und nicht voll übereinstimmen (fahrlässige Rechtsunkenntnis).
Eine Verschuldenszurechnung in entsprechender Anwendung des § 278 BGB ist vorzunehmen. Die besondere Sachkunde des eingesetzten Dritten (z. B. des Steuerberaters) ist für den Schuldner insoweit schädlich. Zahlungsunfähigkeit schließt Vorsatz nicht aus.
Ein 1976 gestellter Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens von dem Inhaber von 2 Baustofffirmen über sein Vermögen wurde wegen Masseunzulänglichkeit im November 1976 abgelehnt. Die Bundesagentur zahlte seinerzeit Konkursausfallgeld für Arbeitnehmer der beiden Unternehmen und entrichtete Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung. Im Januar 1977 forderte die Bundesagentur den Inhaber auf, übergegangene Ansprüche in bestimmter Höhe zu begleichen. Dieser Aufforderung kam der Inhaber nicht nach. Im Hinblick auf das dem Inhaber 1997 bewilligte Arbeitslosengeld rechnete die Bundesagentur gegen ihre Forderung teilweise auf. Die Klage gegen die Aufrechnungsbescheide hat das BSG mit Urteil v. 21.3.2007 (B 11a AL 15/06 R) abgewiesen. Der Inhaber hat im Jahre 1976 die Beiträge vorsätzlich i. S. d. § 25 Abs. 1 Satz 2 vorenthalten, weil er nach den Feststellungen des LSG noch in der Lage gewesen ist, Arbeitsentgelte auszuzahlen. Im Hinblick auf die Nichtabführung von Beiträgen kann deshalb nicht angenommen werden, der Inhaber habe infolge von Zahlungsunfähigkeit keine anderen Forderungen mehr erfüllen können. Der Senat brauchte deshalb nicht abschließend zu entscheiden, ob die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners den Vorsatz grundsätzlich ausschließt.
Auch Ansprüche auf Nebenleistungen (Säumniszuschläge, Verzugszinsen, Mahngebühren, Kosten der Vollstreckung) verjähren nach dem Urteil des BSG v. 8.4.1992 (10 RAr 5/91) in 30 Jahren, wenn die Beiträge vorsätzlich vorenthalten worden sind. Die Rentenversicherungsträger sind der Auffassung, dass in den Fällen, in denen bei Betriebsprüfungen der Rentenversicherungsträger insbesondere für die im Rahmen der Steuerprüfung nachträglich pauschal besteuerten Bezüge e...