Rz. 86
Hiernach ist die Unbedenklichkeitsbescheinigung (UB) der Einzugsstellen als zweite Entlastungsmöglichkeit zugelassen. Nach dieser Vorschrift kann der Hauptunternehmer Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Nachunternehmers oder des von diesem beauftragten Verleihers anstelle der Präqualifikation mittels Vorlage einer lückenlosen UB der zuständigen Einzugsstellen erbringen. Lässt sich der Ablauf nicht lückenlos belegen (vgl. Rz. 88), greift die Vorschrift nicht (hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 18.4.2023, L 9 U 619/22). Weitere Entlastungsmöglichkeiten sind im Interesse der Rechtssicherheit und der Bekämpfung der Schwarzarbeit ausgeschlossen. Sind die Voraussetzungen der Norm nicht erfüllt, muss der Hauptunternehmer die Präqualifikation nach Maßgabe des Abs. 3b Satz 2 nachweisen.
Rz. 87
Mit § 108b SGB IV i.d.F von Art. 1 Nr. 37 des Achten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (8. SGB IV-Änderungsgesetz) v. 20.12.2022 (BGBl. I S. 2759) wurde eine am 1.1.2024 in Kraft tretende Neuregelung geschaffen. Ab diesem Zeitpunkt hat der Arbeitgeber bzw. der Nachunternehmer die UB elektronisch bei den Einzugsstellen mit einem einheitlichen Datensatz aus einem systemgeprüften Entgeltabrechnungsprogramm oder einer Ausfüllhilfe zu beantragen. Die Einzugsstellen melden wiederum die UB unverzüglich elektronisch an Arbeitgeber bzw. Nachunternehmer zurück. Hierdurch sollen die Verfahren für die Arbeitgeber insbesondere im Bereich der Generalunternehmerhaftung von erheblichem bürokratischem Aufwand entlastet werden (hierzu BT-Drs. 20/3900 S. 87; BT-Drs. 20/9834 S. 5).
Rz. 88
Die Pflicht, eine lückenlose UB vorzulegen, hat erst das Siebte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 12.6.2020 (BGBl. I S. 1248) ab 1.7.2020 eingeführt (hierzu auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v 21.9.2023, L 15 U 189/23 B ER; Urteil v. 6.7.2016, L 17 U 301/15). Nur im Fall einer lückenlosen UB ist eine Enthaftung möglich. Das war zuvor umstritten. Bescheinigungen lagen zwar vor Auftragsvergabe vor, waren jedoch oft nicht durchgängig für den gesamten Zeitraum der Vertragsdauer bis zum Ende der Bauzeit vorhanden. Die Gesetzesbegründung äußert sich hierzu wie folgt (BT-Drs. 19/19037 S. 44):
Zitat
Die bisherige Formulierung führt bei Streitfällen zu unterschiedlichen Rechtsprechungen und damit Schwierigkeiten in der Praxis. Durch die redaktionellen Ergänzungen wird deutlich, dass der Generalunternehmer Unbedenklichkeitsbescheinigungen zum Zwecke der Exkulpation für den gesamten Zeitraum der Vertragsdauer vorlegen muss, in dem der Subunternehmer für ihn tätig geworden ist.
Rz. 89
Es gibt zwei Arten von UB, die sich durch die bescheinigten Daten unterscheiden. Die Unbedenklichkeitsbescheinigungen müssen von den für den Subunternehmer zuständigen Einzugsstellen (§ 28e Abs. 3g Satz 1 i. V. m. Abs. 3f) bzw. vom zuständigen Träger der Unfallversicherung (§ 150 Abs. 3 Satz 2 SGB VII) ausgestellt sein. Den Inhalt der von den Einzugstellen auszustellenden UB bestimmt Abs. 3f Satz 2 dahin, dass sie Angaben über die ordnungsgemäße Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge und die Zahl der gemeldeten Beschäftigten enthalten muss. Fehlt es daran, bleibt wiederum nur der Weg über die Präqualifikation nach Abs. 3b Satz 2. Die qualifizierte UB der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft bescheinigt, dass der jeweilige Auftragnehmer seine Zahlungsverpflichtungen erfüllt; ferner enthält diese UB Angaben zu den veranlagten Unternehmensteilen und zur Höhe der Arbeitsentgelte (§ 150 Abs. 3 Satz 2 SGB VII; ein Beispiel für eine qualifizierte UB findet sich unter https://swu-gmbh.de/wp-content/uploads/2020/01/Qualifizierte-Unbedenklichkeitsbescheinigung-BG-Bau.pdf; zur qualifizierten UB der Einzugsstellen, die nach BT-Drs. 20/9834 S. 11 nur für 3 Monate ausgestellt wird).
Rz. 90
Umstritten ist, ob der Hauptunternehmer verpflichtet ist, die vorgelegte UB auf Richtigkeit oder zumindest Schlüssigkeit zu prüfen (verneinend LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 21.9.2023, L 15 U 189/23 B ER; Urteil v. 19.4.2016, L 15 U 302/15; Urteil v. 6.7.2016, L 17 U 301/15; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 18.4.2023, L 9 U 619/22 – Revision anhängig zu B 2 U 14/23 R; bejahend LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.6.2022, L 10 U 1400/20).
Rz. 91
Erstgenannte Auffassung wird u. a. damit begründet, dass der Gesetzgeber eine Exkulpation des Hauptunternehmers bei Vorlage einer qualifizierten UB (dazu Rz. 89) angeordnet habe, woraus deutlich werde, dass er ungeachtet der begrenzten Aussagekraft von Unbedenklichkeitsbescheinigungen dessen Haftung ausschließen möchte; für eine ihm auferlegte Prüfpflicht bleibe daher kein Raum (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v 21.9.2023, L 15 U 189/23 B ER).
Rz. 92
Dem tritt das LSG Baden-Württemberg entgegen. Seit der Rechtsänderung zum 1.10.2009 sei klar, dass der Hauptunternehmer bei Vorlage einer qualifizierten UB keine weiteren Unterlagen zu seiner Entlastung vorle...