Rz. 8

Die Aufhebung der in Rede stehenden Rechtsform kam nicht überraschend, weil schon viele Jahre darüber diskutiert wurde. Die Gründe sind aber trotzdem nicht einsichtig. Immerhin lag die Anzahl der gegründeten GmbHs schon seit den 1980er Jahren ständig oberhalb der von Aktiengesellschaften. Die GmbH war damit die beliebteste Gesellschaftsform unter den kaisha. Ende 2005 standen ca. 1.937.000 GmbHs etwa 1.157.000 Aktiengesellschaften gegenüber. Den anderen Rechtsformen mit dem Rechtsformzusatz kaisha kam immer nur eine marginale Bedeutung zu.

 

Rz. 9

Während das deutsche Recht die GmbH eigenständig und unabhängig von den Vorschriften des Aktiengesetzes regelt, verwiesen viele Vorschriften des japanischen Gesetzes über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung auf die Vorschriften des japanischen Handelsgesetzes (shōhō)[8] über die Aktiengesellschaft und erklärten diese für entsprechend anwendbar. Damit blieb das japanische GmbH-Recht eine Art Anhängsel des Rechts der Aktiengesellschaft. Entsprechend verhielten sich fast alle Lehrbücher zum japanischen Recht der kaisha nur ganz kurz zum Recht der GmbH. Eine schönes Beispiel ist die von Marutschke bewirkte deutschsprachige Übersetzung der 6. Auflage eines der führenden japanischen Lehrbücher aus dem Jahre 2003, in dem nach fast 200 Seiten zum Recht der Aktiengesellschaft gerade einmal fünf Seiten zum Recht der GmbH folgen.[9] Auch in den für Ausländer erarbeiteten Anleitungsbüchern zur Gründung und Unterhaltung von Tochtergesellschaften in Japan führte die GmbH, soweit sie überhaupt erwähnt wurde, ein Schattendasein.[10]

 

Rz. 10

Unausrottbar schien in Japan die Ansicht, die Rechtsform der Aktiengesellschaft genieße ein höheres Ansehen. Rational konnte das einmal mit den geringeren Anforderungen an den Gläubigerschutz bei der GmbH begründet werden. Insoweit konnte man sich auf den Unterschied im Mindestgrundkapital berufen. Dieses betrug für die Gründung von Aktiengesellschaften seit 1990 mindestens 10 Mio. Yen, während es für die GmbH im selben Jahr lediglich auf 3 Mio. Yen festgesetzt wurde. Aber in Japan fehlten Kapitalerhaltungsvorschriften und mit Wirkung zum 1.2.2003 wurde es möglich, Aktiengesellschaften und GmbHs mit einem geringeren Mindestgrundkapital, ja sogar mit nur einem symbolischen Yen zu gründen.[11] Von dieser Möglichkeit, das Mindestgrundkapital bei der Gründung zu unterschreiten, wurde bis zum Ende des Jahres 2005 bei 32.435 Gründungen von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gebrauch gemacht. Fast 1.500 Rechtsträger wurden in dieser Zeitspanne tatsächlich nur mit einem Yen gegründet.[12] Mangels Kapitalerhaltungsvorschriften und dem Wegfall des Mindestgrundkapitals im Jahre 2003 konnte ein höheres Grundkapital bei der Aktiengesellschaft das angeblich höhere Ansehen der Aktiengesellschaft nicht rechtfertigen. Zum anderen konnte man argumentieren, dass die Anforderungen an die Rechnungslegung und die Publizität bei der Aktiengesellschaft strenger seien. Aber auch dieses Argument überzeugt nicht, weil strengere Regeln für Rechnungslegung und Publizität auch mehr Ausgaben verursachen und eine GmbH freiwillig diesen Regeln folgen konnte.

 

Rz. 11

Das eigentliche Argument für die Abschaffung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung scheint deshalb Folgendes gewesen zu sein: Viele Gründer kleiner und mittlerer Unternehmen wählten zwar als Rechtsträger die Aktiengesellschaft, hielten sich aber nicht an die für große Unternehmen gedachten Regelungen der Aktiengesellschaft, ja konnten sich wegen des notwendigen finanziellen und personellen Aufwandes auch gar nicht daran halten. Der japanische Gesetzgeber hat immer wieder versucht, diesem Umstand Rechnung zu tragen. Dabei hat er aber nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, die Anwendung des Rechts der GmbH für die kleinen und mittleren Unternehmen gefördert, sondern die Wahl der Rechtsform der Aktiengesellschaft für diese noch attraktiver gemacht. Schon 1966 wurde die Vinkulierung von Aktien zugelassen, um unerwünschte Dritte aus der Gesellschaft fernzuhalten. 1974 wurden die Anforderungen an die Rechnungsprüfung für kleinere Gesellschaften auf niedrigem Niveau festgeschrieben, indem durch eine Dreiteilung der Aktiengesellschaften in große, mittlere und kleine die Anforderungen an die Rechnungslegung und -prüfung gestaffelt wurden. 1990 schließlich wurde die Einpersonengründung ermöglicht. Im Ergebnis wurden sich "kleine" Aktiengesellschaft und GmbH immer ähnlicher. Mit der jetzigen Neuregelung hat der Gesetzgeber endgültig kapituliert und durch Abschaffung der GmbH die Aktiengesellschaft als Rechtsform für kleinere und mittlere Unternehmen etabliert, indem er eine Fülle von kaum noch zu übersehenden Organstrukturen der Aktiengesellschaft zuließ, um jeder Unternehmensgröße einigermaßen gerecht zu werden.

 

Rz. 12

Nicht unterschätzt werden aber darf bei der Gesetzesreform auch der zunehmende US-amerikanische Einfluss auf das Recht der kaisha in Japan. Dieser ist seit dem Ende des Pazi...

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