Prof. Dr. jur. Tobias Huep
Zum Schutz vor (gesundheitsschädlicher) Überforderung und Leistungsdruck dürfen Jugendliche nach § 23 Abs. 1 JArbSchG nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, die leistungsabhängig vergütet werden, unabhängig von der Art der Tätigkeit. In der Regel ist dies Stückakkord, bei dem sich die Vergütung nach den fertig gestellten Stücken richtet, oder aber Zeitakkord, bei dem sich die Vergütung nach dem Erreichen bzw. dem Unterschreiten einer bestimmten Vorgabezeit bemisst. Nach der zweiten Alternative des § 23 Abs. 1 Nr. 1 JArbSchG gilt das Verbot auch für sonstige Arbeiten, bei denen durch ein gesteigertes Arbeitsergebnis ein höheres Entgelt erzielt werden kann. Dies können Prämien nach den erreichten Mengen sein, Qualitätsprämien allein allerdings genügen nicht, solange keine Verknüpfung mit der Quantität erfolgt. Verboten ist damit insgesamt jede Tätigkeit, die die Vergütung von der konkret erreichten Arbeitsleistung abhängig macht. Die Bezeichnung der Arbeit als Akkordarbeit spielt ebenso wenig eine Rolle, wie die Frage, um welche Akkordarbeit es sich handelt und wie die Akkordarbeit bezeichnet und bezahlt wird (Geld-, Zeit-, Stück-, Einzel- oder Gruppenakkord). Nicht erfasst werden sonstige erfolgsbezogene Vergütungssysteme wie z. B. Zielvereinbarungen, Provisionsregelungen u. Ä. Das Beschäftigungsverbot nach Nr. 2 gilt für die Mitarbeit des Jugendlichen in einer Arbeitsgruppe mit Erwachsenen, die leistungsabhängig i. S. d. Nr. 1 vergütet wird, selbst wenn der Jugendliche nur nach Zeit vergütet wird. Hiermit soll verhindert werden, dass ein mittelbarer Leistungsdruck auf den Jugendlichen durch die Arbeitsgruppe ausgeübt wird. Damit gilt das Verbot nur für Tätigkeiten des Jugendlichen, die auch die Höhe der leistungsabhängigen Vergütung der Arbeitsgruppe beeinflussen können.
Von einer "Arbeitsgruppe" im Sinne der Vorschrift ist dann zu sprechen, wenn bestimmte Arbeiten gemäß der vom Betriebsinhaber vorgegebenen Arbeitsorganisation von mindestens 2 (meist mehreren) Arbeitnehmern gemeinsam erledigt werden. Sinn der Verbotsregelung ist es zu verhindern, dass die Heranwachsenden nur deshalb einem starken Arbeitsdruck und Arbeitstempo ausgesetzt werden, weil das für die Erwachsenen geltende Entlohnungssystem dies so erforderlich macht. Ausreichend ist die "mittelbare" Einbindung in die Arbeitsgruppe, etwa durch begleitende Zuarbeit des Jugendlichen. Das Verbot zielt andererseits aber nur auf die arbeitsorganisatorische Zusammenarbeit von Jugendlichen und erwachsenen Arbeitnehmern. Es bezieht sich nicht auf die (lediglich) räumliche Zusammenarbeit etwa in einer großen Werk- und Montagehalle.
Gemäß § 23 Abs. 2 JArbSchG besteht aber eine Ausnahme von diesem Beschäftigungsverbot dann, wenn dies zur Erreichung des Ausbildungsziels erforderlich ist oder wenn sie eine Berufsausbildung für diese Tätigkeit abgeschlossen haben und ihr Schutz durch die Aufsicht eines Fachkundigen gewährleistet ist. Weitere Ausnahmen kann die Aufsichtsbehörde nach § 27 Abs. 3 JArbSchG für Jugendliche über 16 Jahre bewilligen, wenn die Art der Arbeit oder das Arbeitstempo eine Beeinträchtigung der Gesundheit und der Entwicklung des Jugendlichen nicht befürchten lassen und wenn eine Bescheinigung vorliegt, die nicht älter als 3 Monate ist und diese ausweist, dass keine gesundheitlichen Bedenken gegen die Tätigkeit bestehen.
Nach Nr. 3 sind auch Tätigkeiten verboten, bei denen ein bestimmtes Arbeitstempo vorgegeben wird. Hierzu gehören insbesondere Fließbandarbeiten, aber auch Arbeiten, bei denen das Arbeitstempo bzw. der Arbeitstakt durch die Maschine bestimmt wird. Das Verbot gilt jedoch nicht, wenn das Arbeitstempo nur gelegentlich vorgeschrieben oder vorgegeben ist.
Die Beschäftigungsverbote des § 23 Abs. 1 JArbSchG gelten jedoch nicht, wenn die Tätigkeit zur Erreichung ihres Ausbildungsziels erforderlich ist oder der erforderliche Schutz durch die Aufsicht eines Fachkundigen gewährleistet ist.