Das Wichtigste in Kürze:

1. Tateinheit gem. § 19 besteht, wenn dieselbe Handlung mehrere Gesetze oder ein Gesetz mehrmals verletzt.
2. Nach der Rechtsprechung der Obergerichte stehen mehrere Zuwiderhandlungen gegen die StVO regelmäßig in Tatmehrheit. Eine Zusammenfassung zu einer Tathandlung ist nur ausnahmsweise möglich.
3. Das Konkurrenzverhältnis zu einem Dauerdelikt ist insbesondere wegen der möglichen Klammerwirkung von Bedeutung.
4. Tatmehrheit besteht bei mehreren Handlungen, die nicht als natürliche oder rechtliche Handlungseinheit zusammengefasst werden können.
5. § 21 Abs. 1 S. 1 bestimmt im Wege der Gesetzeskonkurrenz den Vorrang des Strafgesetzes, wenn durch eine Handlung zugleich eine OWi und eine Straftat begangen werden.
 

Rdn 2655

 

Literaturhinweise:

Albrecht, Die unbefriedigende Lösung zur Konkurrenz bei Verkehrsverstößen, DAR 2007, 61

ders., Die Abgrenzung von Tateinheit und Tatmehrheit bei mehreren gleichzeitig begangenen Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten, NZV 2005, 62

Fromm, Konkurrenzregeln und Bußgeldbemessung bei mehreren Verkehrsordnungswidrigkeiten auf derselben Fahrt, DAR 2011, 112

Struensee, Tateinheit oder Tatmehrheit, DAR 2005, 656

s. auch die Hinw. bei → Tatbegriff im Bußgeldverfahren, Rdn 3481.

 

Rdn 2656

1.a) Tateinheit gem. § 19 besteht, wenn dieselbe Handlung mehrere Gesetze oder ein Gesetz mehrmals verletzt. Eine Handlung und damit eine materielle Tat ist gegeben, wenn das Verhalten Folge einer einzigen Willensbetätigung ist (sog. Handlung im natürlichen Sinn).

 

☆ Stehen mehrere Verstöße in Tateinheit , wird gem. § 19 Abs. 1 eine Geldbuße festgesetzt (KG, Beschl. v. 18.8.2023 – 3 ORbs 172/23 – 122 Ss 40/23; OLG Düsseldorf NZV 1997, 192; OLG Karlsruhe NZV 2005, 329 = VRS 108, 63 = VRR 2005, 158). Die Höhe der Geldbuße richtet sich nach dem Delikt, für das die höchste Geldbuße angedroht ist (§ 19 Abs. 2; so auch die Regelungen in § 2 Abs. 6 und § 4 Abs. 5 S. 1 BKatV; → Geldbuße, Bemessung , Rdn 1857 ). Auch wird nur ein einheitliches Fahrverbot angeordnet, selbst wenn mehrere Tatbestände mit Regelfahrverbot erfüllt worden sind (KG zfs 2016, 51 = DAR 2015, 274 = VRR 5/2015, 12).Tateinheit, wird gem. § 19 Abs. 1 eine Geldbuße festgesetzt (KG, Beschl. v. 18.8.2023 – 3 ORbs 172/23 – 122 Ss 40/23; OLG Düsseldorf NZV 1997, 192; OLG Karlsruhe NZV 2005, 329 = VRS 108, 63 = VRR 2005, 158). Die Höhe der Geldbuße richtet sich nach dem Delikt, für das die höchste Geldbuße angedroht ist (§ 19 Abs. 2; so auch die Regelungen in § 2 Abs. 6 und § 4 Abs. 5 S. 1 BKatV; → Geldbuße, Bemessung, Rdn 1857). Auch wird nur ein einheitliches Fahrverbot angeordnet, selbst wenn mehrere Tatbestände mit Regelfahrverbot erfüllt worden sind (KG zfs 2016, 51 = DAR 2015, 274 = VRR 5/2015, 12).

 

Rdn 2657

b) Darüber hinaus liegt eine tateinheitliche Begehung auch dann vor, wenn mehrere Verhaltensweisen bei wertender Betrachtung als Handlungseinheit und somit rechtlich als dieselbe Handlung zu qualifizieren sind. Dabei wird zwischen natürlicher und rechtlicher Handlungseinheit unterschieden.

 

Rdn 2658

Nachdem der BGH die frühere Rechtsprechung zur fortgesetzten Handlung aufgegeben hat (BGHSt 40, 138, 162 ff.; gilt auch in Bußgeldverfahren BGHSt 41, 385, 394), ist die Bedeutung der rechtlichen Handlungseinheit bei Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten eher gering (vgl. Göhler/Gürtler, vor § 19 Rn 10 ff.). Im Mittelpunkt der gerichtlichen Entscheidung steht weitaus häufiger die Frage, ob mehrere Zuwiderhandlungen als natürliche Handlungseinheit zusammenzufassen sind. Tateinheit ist insoweit gegeben, wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind (BVerfG VRR 2005, 112; BGHSt 41, 368, 369; 43, 312, 315; 43, 381, 386 f.; NStZ 1990, 490; 1993, 234; 2000, 30; 2013, 6; s.a. Rdn 2671 ff.):

Es muss sich um gleichartige Delikte handeln,
die in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen und
von einem einheitlichen Willen getragen werden;
zudem muss das gesamte Verhalten nach der Lebensauffassung für einen objektiven Dritten als ein einheitliches Geschehen erscheinen.
 

☆ Nach Auffassung des OLG Hamm kann die Annahme einer einheitlichen Willensbetätigung i.d.R. nur bei vorsätzlich begangenen Verstößen gerechtfertigt sein (DAR 2006, 697 = VRR 2007, 32). Nach a.A. reicht der Wille, eine Strecke möglichst schnell zu durchfahren aus, auch wenn die zeitlich und räumlich eng beieinander liegenden Verstöße fahrlässig begangen wurden (OLG Celle NZV 2012, 196).einheitlichen Willensbetätigung i.d.R. nur bei vorsätzlich begangenen Verstößen gerechtfertigt sein (DAR 2006, 697 = VRR 2007, 32). Nach a.A. reicht der Wille, eine Strecke möglichst schnell zu durchfahren aus, auch wenn die zeitlich und räumlich eng beieinander liegenden Verstöße fahrlässig begangen wurden (OLG Celle NZV 2012, 196).

 

Rdn 2659

c) Eine Tat im prozessualen Sinn kann eine oder mehrere materielle Taten umfassen, die entweder idealiter oder realiter konkurrieren. Die Rechtsprechung zum verfahrensrechtlichen Tatbegriff ist deshalb zur Beantwortung der Frage, in welch...

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