Normenkette

§ 10 Abs. 1 WEG, § 313 BGB, § 19 GBO

 

Kommentar

Eine Vollmacht in einem Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung, durch die der Erwerber den Veräußerer (Bauträger) ermächtigt, die Teilungserklärung zu ändern,

"soweit das Sondereigentum des Käufers nicht unmittelbar betroffen ist",

ist ausreichend bestimmt. Die Auslegung dieser Vereinbarung ergibt, dass der Bauträger nur zu solchen Änderungen nicht ermächtigt ist, durch welche die im Sondereigentum stehenden Räume in ihrer Lage und Größe verändert werden (Abgrenzung zu BayObLG, Entscheidung vom 24.06.1993, 2Z BR 56/93= BayObLGZ 93, 259).

Die in damaliger Entscheidung aufgestellten Grundsätze sind - soweit ersichtlich - nicht in Zweifel gezogen worden; der Senat hält an ihnen auch fest. Die dortige Entscheidung betraf allerdings eine andere Vollmachtsformulierung und wurde vom Senat nicht für ausreichend bestimmt angesehen, was auf Kritik von Röll gestoßen ist (DNotZ 94, 237).

Ob ein anerkennenswertes Bedürfnis für die Einräumung von Freiräumen zur nachträglichen Änderung der Teilungserklärung durch den Bauträger bestehe (wie Röll meint), ist in Zweifel zu ziehen, wenngleich die Beantwortung der Frage für das grundbuchrechtliche Verfahren ohne Bedeutung ist, weil die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Vollmacht nicht davon abhängig gemacht werden können. In aller Regel dient die vorbehaltene Abänderungsmöglichkeit nur dazu, dem Bauträger den Verkauf der übrigen Wohnungen durch die Möglichkeit zu erleichtern, den Käufern Zugeständnisse machen zu können, z.B. - wie hier - durch die Einräumung eines weiteren Sondernutzungsrechtes oder - wie im Senatsfall von 1993 - durch die Erlaubnis, einen Wintergarten errichten zu dürfen. Solche Zugeständnisse sind grundsätzlich nur zu Lasten derjenigen möglich, die bereits Wohnungen gekauft haben. Durch die ihnen in den Kaufverträgen abverlangte Vollmacht wird ihnen zugemutet, Wohnungseigentum zu erwerben, dessen rechtliche Ausgestaltung nachträglich vom Bauträger ohne ihre Mitwirkung zu ihren Ungunsten verändert werden kann.

Aus diesem Grund muss in jedem Einzelfall überprüft werden, ob eine dem Bauträger erteilte Vollmacht zur Änderung der Teilungserklärung die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit erfüllt. Die hier vorliegende Vollmacht erscheint dem Senat in Auslegung der nächstliegenden Bedeutung als ausreichend bestimmt. Die hier formulierte Vollmacht ermächtigt damit den Bauträger zu außerordentlich weitreichenden Änderungen der Teilungserklärung, die von der Schaffung weiterer Wohnungseigentumsrechte in einem auf dem gemeinschaftlichen Grundstück zu errichtenden Gebäude bis zur Änderung des Kostenverteilungsschlüssels reichen können. Gleichwohl liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die aufgrund der Vollmacht erklärte Eintragungsbewilligung wegen Verstoßes gegen § 138 BGB oder § 242 BGB nichtig oder unwirksam wäre. Der weite Umfang berührt die Frage der Bestimmtheit der Vollmacht nicht. Weil insoweit die Vorinstanzen (AG/Grundbuchamt durch Zwischenverfügung und LG) die rechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit überspannt haben, war der Senat zu eigener Auslegung berechtigt.

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 25.08.1994, 2Z BR 80/94= BayObLGZ 1994, Nr. 49 = NJW-RR 95, 208 = WM 94, 631)

Zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung

Anmerkung:

Gerade im Hinblick auf die sehr weitreichende Bedeutung einer solchen erwerbsvertraglichen Vollmachtsklausel hätte der Senat bei unterstellt formelhafter Verwendung dieser Klausel in allen Ersterwerbsverträgen nicht nur die Frage der Bestimmtheit der Vollmacht ansprechen, sondern in diesem Zusammenhang m. E. auch eine Gültigkeitskontrolle im Hinblick auf Grundsätze des AGB-Gesetzes vornehmen müssen. Bei fehlender zeitlicher Befristung oder anderweitigen Einschränkungen und Bedingungen hätte auch inhaltlich eine Überprüfung nach § 9 AGBG vorgenommen werden können bzw. müssen. Ich sehe auch keinen so großen rechtlichen Unterschied in der Vereinbarungsformulierung des 1993 entschiedenen Falles zum heutigen Fall.

[Vgl. auch BayObLG, Entscheidung v. 18.10.1994, 2Z BR 55/94und KG Berlin, Entscheidung v. 17.05.1995, 24 W 431/95.]

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