Leitsatz
Wer seinen Ehepartner erst kurz vor dessen Tod allein zur finanziellen Absicherung heiratet, hat keinen Anspruch auf Witwenrente. Das gilt auch, wenn die Partner zuvor bereits mehrere Jahrzehnte zusammengelebt hatten.
Sachverhalt
Die Witwe, die die Zahlung einer Hinterbliebenenrente (große Witwenrente) begehrt, hatte seit fast 30 Jahren mit dem – noch verheirateten – Verstorbenen zusammengelebt. Dieser hatte sich zwar schon 1979 von seiner ersten Frau getrennt, sich aber nicht scheiden lassen. Als der Mann unheilbar an Krebs erkrankte, entschloss er sich, seine persönlichen Verhältnisse zu regeln und seine langjährige Lebensgefährtin zu ehelichen. Die erste Ehefrau willigte gegen Zahlung einer Abfindung von 200.000 EUR in die Scheidung ein. Noch am Tag der Scheidung heiratete der Mann seine Lebensgefährtin im Krankenhaus. Zuvor hatte er seinen Nachlass umfassend geregelt und dabei auch seine neue Frau mit erheblichen Vermögenswerten bedacht. An eine Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung habe man seinerzeit aber nicht gedacht. Gleichwohl lehnte der Rentenversicherungsträger die Auszahlung der Witwenrente ab, weil die Ehe weniger als ein Jahr gedauert habe und damit eine "Versorgungsehe" zu vermuten sei.
Als Versorgungsehe wird eine Ehe bezeichnet, die kurz vor dem Tod eines der beiden Partner geschlossen wird und von der man daher vermutet, sie sei nur geschlossen worden, um nach dem Tod den überlebenden Partner durch die Hinterbliebenenrente versorgt zu wissen. Nach § 46 Abs. 2a SGB VI hat ein überlebender Ehepartner keinen Anspruch auf Witwenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, und die Annahme gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Nach Ansicht des LSG lag hier trotz der gegenteiligen Beteuerungen der Witwe eine solche "Versorgungsheirat" vor. Entscheidend sei allein, ob die Eheschließung vorrangig aus Versorgungsgesichtspunkten erfolge. Auf die Art der Versorgung komme es ebenso wenig an, wie auf die Tatsache, dass die Eheleute bei der Heirat die Witwenrente nicht in ihre Überlegungen einbezogen hätten. Dem Verstorbenen sei es aufgrund der beachtlichen Zuwendungen zu Lebzeiten und von Todes wegen erkennbar um die Versorgung der Klägerin für die Zeit nach seinem Tod gegangen. Dies sei auch tragendes Motiv für die Heirat gewesen. Deshalb habe eine Versorgungsehe vorgelegen. Stelle der Rentenversicherungsträger nach dem Tod eines Ehepartners eine solche fest, habe der überlebende Partner keinen Anspruch auf Zahlung einer Hinterbliebenenrente.
Link zur Entscheidung
LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 12. 4. 2011, L 13 R 203/11.