Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anspruch auf Witwenrente bei Versorgungsehe
Orientierungssatz
1. Bei einer Ehe, die nach dem 31. 12. 2001 geschlossen wurde, ist ein Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn eine sog. Versorgungsehe eingegangen wurde. Um die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen, ist der volle Beweis des Gegenteils zu erbringen.
2. Bei einer Gesamtabwägung der Motive zur Eheschließung darf die Versorgungsabsicht nicht überwiegen. Um die Rechtsvermutung des § 46 Abs. 2a SGB 6 zu widerlegen, ist der Vollbeweis erforderlich, dass trotz der kurzen Ehedauer der zumindest überwiegende Zweck der Heirat nicht die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gewesen ist.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 07. November 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Witwenrente.
Die Klägerin ist die Witwe des am ... 2004 verstorbenen J K. Sie lernte ihren späteren Ehemann (nachfolgend Versicherter genannt) im Oktober 1997 kennen. Beide waren zu diesem Zeitpunkt noch mit anderen Partnern verheiratet. Nach ihren Angaben zogen sie im Mai 1999 zusammen. Die Ehe des Versicherten wurde am 2002, die der Klägerin am 2003 rechtskräftig geschieden. Ausweislich eines Befundberichts vom 09. Februar 2004 (ausgestellt anlässlich eines Antrages auf ein Anschlussheilverfahren, vgl. die Rehabilitationsakte des Versicherten) erkrankte der Versicherte im Oktober 2003 an einem hochmalignen Non-Hodgkin-Lymphom. Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten wurde am ... 2004 geschlossen. Am ... 2004 verstarb der Versicherte.
Die Klägerin stellte am 19. August 2004 einen Antrag auf Hinterbliebenenrente, den die Beklagte mit Bescheid vom 17. November 2004 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 19. April 2005 ablehnte. Zur Begründung führte sie aus, nach § 46 Abs. 2 a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in Verbindung mit § 242 a Abs. 3 SGB VI sei bei Ehen, die nach dem 31. Dezember 2001 geschlossen worden seien, ein Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn eine so genannte Versorgungsehe vorliege. Das Vorliegen einer Versorgungsehe werde stets unterstellt, wenn der Ehegatte innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung verstorben sei. Die Unterstellung könne im Einzelfall widerlegt werden, wenn besondere Umstände gegen die gesetzliche Vermutung sprächen. Solche besonderen Umstände lägen hier nicht vor. Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei der Tod des Versicherten absehbar gewesen. Dies ergebe sich aus dem Befundbericht des behandelnden Arztes vom 14. Oktober 2004, in dem ausgeführt werde, dass die Gesamtsituation des Versicherten aufgrund des fortgeschrittenen Lymphoms aussichtslos sei. Auch die Tatsache, dass die Klägerin in der Lage sei, ihren Lebensunterhalt allein zu bestreiten, begründe keinen besonderen Umstand im Sinne des Gesetzes.
Mit ihrer am 20. Mai 2005 erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, sie habe seit Mai 2001 mit dem Versicherten in einer eheähnlichen Gemeinschaft gelebt. Aufgrund der damals noch bestehenden Ehen mit anderen Partnern hätten sie eine Ehe zunächst nicht eingehen können. Sie sei immer berufstätig gewesen und auf eine Versorgung nicht angewiesen (mit Hinweis auf ein Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 15. September 2004 zum Aktenzeichen S 8 RJ 697/02, wonach eine ausreichende eigene Versorgung des Hinterbliebenen grundsätzlich geeignet sei, die Rechtsvermutung einer so genannten Versorgungsehe zu widerlegen). Es habe vielmehr dem Versicherten daran gelegen, sein bereits vor Jahren abgegebenes Eheversprechen ihr gegenüber einzulösen. Es erscheine unbillig, diesen hohen moralischen Anspruch auf ein Niveau zu ziehen, das ihnen beiden unterstelle, die Ehe lediglich aus Versorgungsgründen geschlossen zu haben. Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei mit dem Ableben des Versicherten innerhalb von wenigen Wochen nicht zu rechnen gewesen. Möglich sei erschienen, dass der Versicherte erst Monate nach der Eheschließung versterbe.
Mit Gerichtsbescheid vom 07. November 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, nach den Motiven des Gesetzgebers sei beim Tode eines Ehegatten innerhalb des ersten Ehejahres in typisierender Betrachtung die so genannte Versorgungsehe als Regelfall zu unterstellen, die Heirat aus immateriellen Gründen als Ausnahme. Gesetzliches Indiz für die Vermutung sei dabei allein die zeitliche Komponente “Tod innerhalb eines Jahres„. Die materielle Bedürftigkeit eines Ehepartners werde ausdrücklich nicht zugrunde gelegt. Daher müsse der zeitlichen Komponente auch bei der Widerlegung der Vermutung die Hauptbedeutung zukommen. Heirateten Eheleute, obwohl sie mit dem Tode eines Ehepartners rechnen müssten, wie vorliegend, sei eine Versorgungsehe besonders stark zu ...