Entscheidungsstichwort (Thema)
Witwenrente. Versorgungsehe. Widerlegung der Vermutung. Eigene Versorgung
Leitsatz (redaktionell)
Allein durch eine bestehende wirtschaftliche Absicherung des überlebenden Ehegatten kann die Rechtsvermutung einer Versorgungsehe nicht widerlegt werden. Die eigenständige Versorgung und das Alter der Klägerin sowie eine geringe Höhe der zu erwartenden Witwenrente können jedoch zu einem geringeren Gewicht des Versorgungsgedankens im Rahmen der Gesamtbeurteilung der Motivationslage führen.
Normenkette
SGB VI § 46 Abs. 2a; ZPO § 292
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. April 2007 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 8. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2006 verurteilt, der Klägerin aus der Versicherung des W. S. eine Witwenrente nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin ein Anspruch auf Gewährung einer Witwenrente nach dem am 4. August 2005 verstorbenen versicherten Ehemann zusteht.
Die 1961 geborene Klägerin heiratete am 16. Juni 2005 den bei der Beklagten versicherten W. S.. Dieser war 1958 geboren und verstarb am 4. August 2005 an der Folgen eines Appendixkarzinoms. Am 20. September 2005 beantragte sie die Gewährung einer Witwenrente.
Die Klinik Bad T. bescheinigte, dass der Versicherte an einem Appendixkarzinom erkrankt war. Im weiteren Verlauf sei ein ausgeprägtes Tumorrezidiv mit Peritonealkarzinom und Dünndarmbefall aufgetreten. Eine Rezidivoperation habe keine Tumorfreiheit erzielen können, eine durchgeführte palliative Chemotherapie sei nicht ausreichend tumorwirksam gewesen. Zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme und der Eheschließung sei eine Zweitlinienchemotherapie geplant gewesen; bei gutem Ansprechen wäre ein Überleben von bis zu einem Jahr vorstellbar gewesen. Bei der Eheschließung sei der Tod des Versicherten konkret zu erwarten gewesen, wenn auch nicht unmittelbar bevorstehend.
Mit Bescheid vom 8. November 2005 lehnte die Beklagte die Gewährung der Witwenrente ab. Die Ehe habe weniger als ein Jahr gedauert. Nach den ärztlichen Angaben sei bereits bei Krankenhausaufnahme in absehbarer Zeit mit dem Tod zu rechnen gewesen. Ein Anspruch auf Gewährung der Witwenrente sei unter Berücksichtigung des § 46 Abs. 2 a des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht gegeben.
Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, sie hätten bereits nahezu zwei Jahre vor der Eheschließung zusammen gelebt. Anlässlich eines operativen Eingriffs in der A. Stadtklinik Bad T. wegen einer Blinddarmentzündung im April 2004 sei bei dem Versicherten ein Tumor festgestellt worden, der im Mai 2004 operativ entfernt worden sei. Der Versicherte sei als vollständig geheilt entlassen worden. Sie hätten dann eine gemeinsame Wohnung gesucht; wegen plötzlich auftretender Schmerzen in der Bauchgegend sei die Wohnungssuche abgebrochen worden. Die weiteren ärztlichen Untersuchungen hätten ein erneutes Auftreten des Krebsleidens ergeben. Im Dezember 2004 sei der Versicherte erneut operiert worden; anschließend sei eine Chemotherapie durchgeführt worden, die nicht gewirkt habe. Am 8. Juni 2005 habe er die Klinik Bad T. aufgesucht. Sie hätten schon immer heiraten wollen; dies sei jedoch aufgrund ihres Wunsches vom Bezug einer gemeinsamen Wohnung abhängig gewesen. Sie habe letztendlich die Heirat vorgezogen, um den Versicherten in seiner Krankheit psychisch zu motivieren. Weder dem Versicherten noch ihr sei es bewusst gewesen, dass das Krebsleiden zu einem alsbaldigen Tod führen würde. Nach Auskunft des Arztes der Klinik Bad T., Dr. W., habe der Versicherte nie die Frage nach dem Sterben gestellt. Die Hoffnungs- und Aussichtslosigkeit der Erkrankung habe er weder akzeptiert noch in dem tatsächlichen Ausmaß zur Kenntnis genommen.
Die Beklagte holte Befundberichte der Klinik Bad T. vom 27. Januar 2006 und des behandelnden Internisten Dr. P. vom 7. Februar 2006 ein. Nach dem ärztlichen Bericht des Dr. P. vom 8. Juni 2006 hatte sich der Allgemeinzustand rapide verschlechtert, weshalb eine weitere stationäre Versorgung angeregt bzw. dieser Gedanke unterstützt wurde. Der Versicherte sei von Beginn an über die Prognose wie auch zuletzt nochmals über den zu erwartenden Verlauf aufgeklärt worden. Die beratende Ärztin führte am 21. Februar 2006 aus, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung während des stationären Aufenthalts mit keiner überdauernden Lebenserwartung zu rechnen gewesen sei, da es sich um einen sehr progredienten Verlauf der Tumorerkrankung gehandelt habe. Über den Verlauf und die Prognose sei aufgeklärt worden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2006 zurück.
Mit der Klage zum Sozialgericht München wandte sich die Klägerin gegen die Ablehnung der Witwenrente. Es liege keine Versorgungsehe vor. Ergänzend zu der im Wider...