Leitsatz
Der BGH hat wiederholt Auslegungsregeln zu der am 1.1.2008 in Kraft getretenen Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) aufgestellt. Nun hat er zur Frage des Komplettauschlusses des Versicherungsschutzes im Fall grob fahrlässiger Herbeiführung eines Verkehrsunfalls Stellung genommen. Dabei hat er Rechtsgedanken des VVG auf die Allgemeinen Vertragsbedingungen von Autovermietfirmen anwendet.
Sachverhalt
Der Beklagte hatte von der Klägerin, einem gewerblichen Autovermieter, einen Pkw gemietet. Nach erheblichem Alkoholgenuss kam er infolge nicht angepasster Geschwindigkeit mit dem gemieteten Fahrzeug von der Fahrbahn ab und verursachte einen Totalschaden. Die beim Beklagten gemessene Blutalkoholkonzentration betrug 2,96 Promille. Die Klägerin verlangte vollen Schadensersatz von 16.000 EUR und berief sich auf ihre Allgemeinen Mietbedingungen. Hierin ist für Fälle der grob fahrlässigen Unfallverursachung die volle Haftung des Kunden vorgesehen. Das LG gab der Klage des Vermietunternehmens im Wesentlichen statt und sah die Haftungsklausel in den Mietbedingungen als wirksam an. Das OLG war anderer Meinung und verurteilte den Beklagten lediglich zur Zahlung der vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung von 770 EUR.
Nach Auffassung der BGH Richter ist der in den Allgemeinen Mietbedingungen der meisten Autovermietfirmen enthaltene undifferenzierte Ausschluss der Haftung der Vermietfirma bei grober Fahrlässigkeit des Kunden unwirksam. Dies folge aus den Grundprinzipien der seit dem 1.1.2008 geltenden Neufassung des VVG. Insbesondere in § 81 Abs. 2 VVG werde der Grundsatz formuliert, dass ein pauschaler Ausschluss der Haftung bei grober Fahrlässigkeit im Sinne eines "Alles-oder-Nichts-Prinzips" unzulässig ist. Vielmehr gelte der Grundgedanke, dass im Fall grober Fahrlässigkeit die Gesamtumstände des konkreten Falls abzuwägen seien. Insbesondere das konkrete individuelle Verschulden des Betroffenen sei zu gewichten. Es gelte der Grundsatz: Je größer die Schuld, umso mehr habe dieser sich an der Schadenstragung zu beteiligen.
Nach diesen Vorgaben des BGH muss das OLG erneut entscheiden. Hierbei scheint es nicht unwahrscheinlich, dass der Beklagte im Ergebnis auf dem kompletten Schaden sitzen bleibt. Nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung spricht bei der gemessenen hohen Blutalkoholkonzentration einiges für ein erhebliches Verschulden des Beklagten.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 11.10.2011, VI ZR 46/10.