Alexander C. Blankenstein
Leitsatz
Ein Wohnungseigentümer, der mit der Zahlung von Beiträgen in Verzug ist, kann deswegen nicht von der Eigentümerversammlung ausgeschlossen werden; ihm kann auch nicht das Stimmrecht entzogen werden. Die Ungültigerklärung von Beschlüssen scheidet in der Regel aus, wenn feststeht, dass sich ein Beschlussmangel auf das Abstimmungsergebnis nicht ausgewirkt hat; anders verhält es sich jedoch bei schwerwiegenden Eingriffen in den Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte, die dazu führen, dass das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht eines Wohnungseigentümers in gravierender Weise ausgehebelt wird.
Fakten:
Die Gemeinschaftsordnung enthält vorliegend folgende Bestimmung: "Die Versammlung kann einen Wohnungseigentümer, der mit Zahlungen von Beiträgen länger als einen Monat in Verzug ist, von der Teilnahme an der Eigentümerversammlung und der Abstimmung ausschließen. Der Betroffene hat hierbei kein Stimmrecht. Mit vollständiger Zahlung der Rückstände entfällt die Wirkung obigen Beschlusses." Entsprechend dieses Regelungsinhalts beschlossen die Eigentümer den Entzug des Stimmrechts und den Ausschluss derjenigen Eigentümer von der Versammlung, die mit ihren Hausgeldzahlungen mehr als einen Monat in Verzug waren. Aufgrund dessen konnte eine betroffene Eigentümerin nicht mehr weiter an der Versammlung teilnehmen. Sie focht sämtliche Beschlüsse an, die auf der Versammlung gefasst wurden.
Die Klage war erfolgreich, da die Beschlüsse rechtsfehlerhaft zustande gekommen waren. Das Gesetz eröffnet den Eigentümern nicht die Möglichkeit, einem Mitglied der Gemeinschaft sein Stimmrecht zu entziehen und dieses wegen Zahlungsverzugs von einer Eigentümerversammlung auszuschließen. Die Regelung in der Gemeinschaftsordnung ist insoweit nichtig. Deren Gestaltungsfreiheit endet nämlich dort, wo die personenrechtliche Gemeinschaftsstellung der Eigentümer ausgehöhlt wird. Das mitgliedschaftsrechtliche Element des Wohnungseigentums verbietet insoweit einen allgemeinen Ausschluss des Eigentümers vom Stimmrecht. Dasselbe gilt im Grundsatz auch für einen nur vorübergehenden Ausschluss. Ein Eingriff in das Teilnahmerecht ist nur statthaft, wenn auf andere Weise die geordnete Durchführung einer Versammlung nicht gewährleistet werden kann, etwa bei nachhaltigen Störungen.
Der rechtsfehlerhafte Ausschluss der Eigentümer hat sich insoweit auf die Wirksamkeit der nachfolgend gefassten Beschlüsse ausgewirkt. Zwar scheidet eine Ungültigerklärung in der Regel aus, wenn feststeht, dass sich der Beschlussmangel auf das Abstimmungsergebnis nicht ausgewirkt hat. Anders verhält es sich jedoch bei schwerwiegenden Verstößen, die dazu führen, dass das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht eines Mitglieds in gravierender Weise ausgehebelt wird, was vorliegend der Fall war.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 10.12.2010, V ZR 60/10BGH, Urteil vom 10.12.2010 – V ZR 60/10
Fazit:
Die Entscheidung ist vor dem Hintergrund der Bestimmung des § 25 Abs. 5 WEG konsequent. Hiernach nämlich ist ein Eigentümer lediglich dann nicht stimmberechtigt, wenn er unter den strengen Voraussetzungen des § 18 WEG rechtskräftig zur Veräußerung seines Eigentums verurteilt worden ist. Selbst dann bleibt das Recht auf Teilnahme an Eigentümerversammlungen bis zur Übertragung des Eigentums auf den Erwerber bestehen. Bloße Zahlungsrückstände - mögen sie im Einzelfall auch erheblich sein - können einen Ausschluss von der Teilnahme an Eigentümerversammlungen oder den Verlust des Stimmrechts nicht begründen. Wie die Entscheidung weiter deutlich macht, sind entsprechende Regelungen in Teilungserklärungen beziehungsweise Gemeinschaftsordnungen nichtig.