Leitsatz
Geschiedene Eheleute stritten um nachehelichen Ehegattenunterhalt. Sie hatten im Jahre 1984 geheiratet und drei gemeinsame Kinder. Der Sohn war im Jahre 1983 und die beiden Zwillingstöchter im Jahre 1991 geboren. Der bereits volljährige Sohn absolvierte eine Lehre und unterhielt einen eigenen Hausstand. Die beiden noch minderjährigen Töchter lebten seit Ende 2005 bei dem Ehemann. Die Trennung der Parteien erfolgte im September 2002, die Zustellung des Scheidungsantrages erfolgte im August 2005. Der Scheidungsausspruch ist seit dem 22.6.2007 rechtskräftig.
Der Ehemann war Arzt in eigener Praxis, die Ehefrau gelernte Sozialpädagogin. Sie war psychisch krank und wurde deswegen teilweise stationär behandelt. Seit Frühjahr 2007 stand sie unter rechtlicher Betreuung für die Aufgabenbereiche Vermögenssorge und Behördenangelegenheiten. Seit 2002 bezog sie eine Sozialversicherungsrente wegen teilweiser Erwerbsminderung und seit 2004 eine Rente wegen vollständiger Erwerbsminderung, die zunächst netto 744,00 EUR betrug. Seit Juli 2007 erhöhte sich die Rente durch die von dem Ehemann im Versorgungsausgleich erworbenen Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung auf netto 1.312,00 EUR.
Das AG hat das Einkommen des Ehemannes um den jeweiligen Tabellenbetrag des Kindesunterhalts für die beiden Zwillingstöchter und anschließend um einen Erwerbstätigenbonus bereinigt. Von den Renteneinkünften der Ehefrau hat es die von ihr gezahlten Lebensversicherungsbeiträge in einer auf angemessene sekundäre Altersvorsorge begrenzten Höhe abgezogen sowie fiktive Zinseinkünfte aus dem ihr verbleibenden Zugewinnausgleich zugerechnet. Der vom AG ermittelte Unterhaltsbedarf der Ehefrau betrug nach dieser Berechnung mindestens 834,55 EUR und lag damit über dem erstinstanzlichen Antrag der Ehefrau, die monatlichen Unterhalt von 756,00 EUR begehrte. Den beantragten Unterhalt hat das AG zugesprochen und bis zum 31.10.2010 befristet.
Hiergegen richteten sich die Berufungen beider Parteien. Der Ehemann verfolgte seinen vollständigen Klageabweisungsantrag weiter. Die Ehefrau begehrte seit Juli 2007 - teilweise klageerweiternd - einen unbefristeten Unterhalt i.H.v. 834,55 EUR monatlich.
Die wechselseitigen Berufungen beider Parteien waren zum Teil erfolgreich.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG wies zunächst darauf hin, dass der begehrte Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB im Falle vollständiger Hinderung an einer Erwerbstätigkeit auch dann auf den vollen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen gehe, wenn der Unterhaltsberechtigte eine Rente wegen Erwerbsminderung beziehe. Eine tatbestandsmäßige Differenzierung des vollen Unterhalts - wie nach altem Recht - in einen auf einen Krankheitsunterhalt und einen auf Aufstockungsunterhalt beruhenden Teil sei nach neuem Unterhaltsrecht nicht mehr gegeben. Der Ehemann sei den beiden Zwillingstöchtern ggü. allein barunterhaltspflichtig wegen Leistungsunfähigkeit der Ehefrau insoweit, die sich mit eigenen Einkünften aus der Erwerbsminderungsrente ohne Gefährdung ihres eigenen angemessenen Selbstbehalts von 1.100,00 EUR nicht am Unterhalt beteiligen könne. Der Ehemann als der betreuende Elternteil sei damit als "anderer leistungsfähiger Verwandter" anzusehen, womit die verschärfte Haftung der Ehefrau für den Kindesunterhalt entfalle.
Im Hinblick darauf, dass der Ehemann über dreifach höhere bereinigte Einkünfte als die Ehefrau verfüge, erscheine es vertretbar, ihre Barunterhaltspflicht vollständig entfallen zu lassen. Ein Betreuungsbonus zugunsten des Ehemannes für die beiden bei ihm lebenden minderjährigen Töchter komme nicht in Betracht, weil die Zwillinge zu Beginn des Unterhaltszeitraums schon 16 1/2 Jahre alt gewesen seien. Nach allgemeiner Erfahrung bestünden dann keine besonderen Erschwernisse mehr im Rahmen der Betreuung trotz vollschichtiger Erwerbstätigkeit.
Nach Auffassung des OLG war der volle Unterhalt der Ehefrau nur für eine Übergangszeit von drei Jahren zuzusprechen. Im Anschluss daran komme ein Unterhalt von monatlich 200,00 EUR für weitere vier Jahre in Betracht unter Berücksichtigung des relativ hohen Alters der Ehefrau bei Rechtskraft der Scheidung sowie des Umstandes, dass sie nach Beendigung des Umstellungszeitraums ihren Lebensstandard schon aus gesundheitlichen Gründen durch eigene Erwerbstätigkeit nicht mehr anheben könne. Die Aufgabe des Ausbildungsberufs spätestens 1990 und die Übernahme der Kindesbetreuung hätten einer einvernehmlichen Aufgabenverteilung der Parteien in der Ehe entsprochen. Hierauf habe sich die Erwartung der Ehefrau gegründet, auf der Grundlage dieser Rollenverteilung dauerhaft nach den ehelichen Lebensverhältnissen versorgt zu sein. Von Bedeutung sei auch, dass die ehelichen Lebensverhältnisse durch die überdurchschnittlich guten Einkommensverhältnisse des Ehemannes als Arzt geprägt worden seien. Von daher bedeute der Verzicht auf die Teilhabe an diesem hohen Lebensstandard nach Wegfall des vollen Unterhalts einen erheblichen...