Entscheidungsstichwort (Thema)
Begrenzung des nachehelichen Krankheitsunterhalts. Kein Betreuungsbonus bei vollschichtiger Tätigkeit und Betreuung von 16-jährigen Zwillingen
Leitsatz (amtlich)
1. Ist der Unterhaltsberechtigte vollständig an einer Erwerbstätigkeit gehindert, geht sein Anspruch auf nachehelichen Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB auch dann auf den vollen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen, wenn der Berechtigte eine Rente wegen Erwerbsminderung bezieht.
2. Die Betreuung von zwei 16 ½jährigen Zwillingskindern neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit rechtfertigt grundsätzlich keinen Betreuungsbonus mehr für den Unterhaltspflichtigen.
3. Zur Herabsetzung und Befristung eines Anspruches auf nachehelichen Krankheitsunterhalt, wenn der Berechtigte eine - mit den im Versorgungsausgleich erworbenen Anrechten aufgebesserte - gesetzliche Erwerbsminderungsrente bezieht.
Normenkette
BGB §§ 1572, 1578, 1578b
Verfahrensgang
AG Lüneburg (Urteil vom 21.05.2008; Aktenzeichen 37 F 233/07) |
Tenor
I. Auf die Berufungen der Klägerin und des Beklagten und unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Rechtsmittel wird das am 21.5.2008 verkündete Urteil des AG - FamG - Lüneburg abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Nachscheidungsunterhalt i.H.v.
- monatlich 834,55 EUR vom 1.7.2007 bis zum 30.6.2010
- monatlich 200 EUR vom 1.7.2010 bis zum 30.6.2014
zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 1/7 und dem Beklagten zu 6/7 auferlegt.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert erster Instanz übersteigt nicht 10.000 EUR. der Streitwert in der Berufungsinstanz übersteigt nicht 13.000 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten um nachehelichen Ehegattenunterhalt.
Die Klägerin (im Folgenden: Ehefrau) und der Beklagte (im Folgenden: Ehemann) haben im November 1984 die Ehe geschlossen. Sie trennten sich im September 2002. die Zustellung des Scheidungsantrages erfolgte im August 2005. Der Scheidungsausspruch ist seit dem 22.6.2007 rechtskräftig. Aus der Ehe sind drei Kinder, der im Jahre 1983 geborene Sohn ... und die im Jahre 1991 geborenen Zwillingstöchter ... und ... hervorgegangen. Der volljährige Sohn ... absolviert eine Lehre und hat einen eigenen Hausstand. die beiden noch minderjährigen Töchter leben seit Ende 2005 beim Ehemann.
Der ... geborene Ehemann ist Arzt in eigener Praxis. die ... geborene Ehefrau ist gelernte Sozialpädagogin. Ausweislich ihrer Auskünfte zum Versorgungsausgleich im Scheidungsverfahren hat sie nach Beendigung ihrer Berufsausbildung zwischen den Jahren 1980 und 1988 - unterbrochen durch die erste Schwangerschaft - in ihrem erlernten Beruf in einer psychiatrischen Klinik in ... gearbeitet. Danach übte sie (abgesehen von einer kurzfristigen Tätigkeit für einen Herbergsverein im Jahre 1990) keine weiteren Tätigkeiten in ihrem Ausbildungsberuf mehr aus, sondern war zwischen 1992 und 2003 als Bürokraft in der Praxis des Ehemannes mit monatlichen Bruttoeinkünften in gerade sozialversicherungspflichtiger Höhe geringfügig beschäftigt.
Das um Steuern, Vorsorgeaufwendungen und Verbindlichkeiten bereinigte Nettoeinkommen des Ehemannes hat das AG mit insgesamt monatlich 4.596 EUR festgestellt, was weder von der Berufung des Ehemannes noch von der Berufung der Ehefrau angegriffen wird. Die Ehefrau, die wegen Depressionen zeitweise stationär behandelt worden ist, ist psychisch krank und steht seit Mai 2007 unter rechtlicher Betreuung für die Aufgabenbereiche Vermögenssorge und Behördenangelegenheiten. Sie bezieht seit 2002 eine Sozialversicherungsrente wegen teilweiser Erwerbsminderung und seit 2004 eine Rente wegen vollständiger Erwerbsminderung. Diese Rente wegen vollständiger Erwerbsminderung betrug zunächst etwa netto 744 EUR. in dem hier streitgegenständlichen Unterhaltszeitraum für den Nachscheidungsunterhalt seit Juli 2007 hat die Rente sich durch die von dem Ehemann im Versorgungsausgleich erworbenen Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung auf netto 1.312 EUR erhöht.
Der Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau war im Scheidungsverbundverfahren rechnerisch mit rund 61.000 EUR unstreitig geworden. In diesem Verfahren stritten die Parteien am Ende nur noch darum, ob und in welcher Höhe frühere Geldleistungen des Ehemannes nach der Trennung als Vorauszahlungen auf den Zugewinnausgleich anzusehen waren. Unstreitig war dies bei einem Gesamtbetrag von rund 30.000 EUR, den der Ehemann der Ehefrau zwischen Januar 2003 und Juli 2006 in insgesamt zehn Teilzahlungen zur Verfügung gestellt hatte. Vor dem AG verglichen sich die Parteien dahingehend, dass auch Leistungen i.H.v. weiteren rund 8.000 EUR als Vorauszahlungen auf den Zugewinnausgleich anzurechnen waren, so dass für die Ehefrau ein restlicher Anspruch von rund 23.000 EUR verblieb. Diesen Betrag stellte der Ehemann nach der Scheidung zur Verfügung. nach Abzug der Anwaltskosten erhielt die Ehefrau davon etwa 18.000 EUR...