Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 16 Abs. 2 WEG, § 44 Abs. 3 WEG, § 249 BGB, § 945 ZPO
Kommentar
Einem Wohnungseigentümer erwächst nicht schon dadurch ein Schaden im Sinne des § 945 ZPO, dass er auf Betreiben eines nicht zur gerichtlichen Geltendmachung befugten Miteigentümers (vgl. BGH vom 20. 4. 1990) durch eine später aufgehobene wohnungseigentumsgerichtliche einstweilige Anordnung ( § 44 Abs. 3 WEG) - sofort vollstreckbar - veranlasst wurde, fällige Wohngeldzahlungen an die Gemeinschaft zu Händen des Verwalters zu leisten.
Selbst bei Anwendung des § 945 ZPO würden insoweit keine Schadenersatzansprüche auf Rückzahlung bestehen. Im Fall des § 945 ZPO handelt es sich um eine verschuldensunabhängige Schadenersatzhaftung; eine Rücktitulierung nach Aufhebung des ursprünglichen gerichtlichen Leistungstitels hat das Gesetz allerdings nicht vorgesehen, sodass der Schadensbegriff des § 945 ZPO identisch ist mit dem allgemeinen schuldrechtlichen nach den §§ 249ff. BGB. Auf Gläubigerseite liegt hier ein Vermögensschaden nur vor, wenn der spätere tatsächliche Wert des Vermögens des Geschädigten geringer ist als der Wert, den das Vermögen ohne das die Ersatzpflicht begründende Ereignis hätte. Im vorliegenden Fall waren Wohngeldzahlungen fällig gestellt. Die in der Beschwerdeinstanz aufgehobene Zahlungsverpflichtung bestätigte allein, dass die Antragstellerseite zur gerichtlichen Geltendmachung nicht allein ermächtigt war, was jedoch nichts am Bestehen der Ansprüche der Gemeinschaft ändere. Die gerichtliche Erzwingung der Wohngeldleistungen löste nicht typischerweise einen Schaden im Rechtssinne aus, nur eine Vermögensverlagerung (spätere Gutschriftentstehung zugunsten des Antragsgegners), die für sich genommen noch nicht als Schaden zu qualifizieren sei. Vielmehr seien durch die Zahlung weitere Schäden auch für den Antragsgegner abgewendet worden (was in der Entscheidung näher ausgeführt wird, so z. B. Vermeidung einer Kreditaufnahme, Gefahrverminderung einer Gesamtschuldinanspruchnahme durch Drittgläubiger). Bei wertender Betrachtung könne somit bei zeitiger Einbringung von materiell ohnehin geschuldeten Geldmitteln in das Gemeinschaftsvermögen nicht von einem Schaden gesprochen werden. Durch ein Verschleppen der Vorschusszahlungen und der Jahresabrechnung könnten Kostenanteile auch nicht erfolgreich und endgültig auf neue Eigentümer abgewälzt werden. Materiell (sei es auch in Einzelfällen über internen Ausgleich aus Kaufvertrag) müsse im Ergebnis jeder Miteigentümer die Lasten tragen, die auf den Zeitraum entfielen, in dem er Wohnungseigentümer gewesen sei.
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Beschluss vom 11.02.1991, 24 W 7307/90)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Offensichtlich werden von Berliner Wohnungseigentumsgerichten nicht selten sofort vollstreckbare Wohngeldtitel über einstweilige gerichtliche Anordnung nach § 44 Abs. 3 WEG erlassen. Dies mag zwar grundsätzlich im Interesse der restlichen, insbesondere pünktlich Wohngeld entrichtenden Eigentümer einer Gemeinschaft liegen, da sicher vielfach ein dringendes Bedürfnis dafür besteht, gegen zahlungssäumige Eigentümer sehr rasch einen Vollstreckungstitel in die Hand zu bekommen. Allerdings ist es h. R. M., dass eine solche Anordnungsentscheidung im Rahmen eines anhängigen Hauptsacheverfahrens die Hauptsache nicht vorwegnehmen darf. Überdies müsste das Gericht vor Erlass einer solchen Schnellentscheidung (sicher nicht in voller Höhe der Hauptsacheforderung) die Anspruchsvoraussetzungen und damit die Fälligkeit der Forderung im Rahmen eigener richterlicher "Schlüssigkeitsüberprüfung" positiv vorgeklärt haben. Sollte sich später im Laufe des Verfahrens zeigen, dass die Berechtigung einer Forderung m. E. aus formell- oder materiell-rechtlichen Gründen nicht gegeben ist (war), muss natürlich über etwaigen Schadenersatz eines zu Unrecht "vorleistenden Eigentümers" diskutiert werden. Das Kammergericht Berlin verneint nun seit geraumer Zeit in ständiger Rechtsprechung in solchen und ähnlichen Fällen Ansprüche analog der Bestimmungen der § 717 Abs. 2 ZPO und § 945 ZPO (vgl. bereits die Entscheidungen KG Berlin, Entscheidung v. 6. 2. 1989, Az.: 24 W 6754/88und vom KG Berlin, Entscheidung v. 11. 10. 1989, Az.:2338/89und die KG Berlin, Entscheidung v. 28. 11. 1990, Az.: 24 W 2917/90zu verneintem Rechtsschutzbedürfnis bei abgerechneter und saldierter Gutschriftbuchung und sich daraus ergebender Rückzahlungsbereitschaft für Überzahlungsguthaben). In der Verneinung von Schadenersatzansprüchen nach zeitlich "verfrühten" Wohngeldvorauszahlungen (über später aufgehobene oder außer Kraft getretene gerichtliche Anordnung) erscheint mir der "interne" Gleichheitsgrundsatz unter Eigentümern in Bezug auf anteilige Wohngeldvorauszahlungen verletzt; es können hier Zufallsergebnisse eintreten und Zwänge, dass vielleicht nur einzelne Eigentümer mehr oder weniger ein "mageres" Gemeinschaftskonto vorfinanzieren bzw. kreditieren. Stellt sich später heraus, dass eine Leistung durch einen Eigen...