Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
In einem zweckbestimmten "Kur-Café im UG als Weinstube" ist der Betrieb eines Speiselokals und eines Pilslokals mit Musikunterhaltung nicht vereinbar
Unterlassungsanspruch nicht verwirkt
Vollstreckung nach § 890 ZPO
Normenkette
§ 10 WEG, § 15 WEG, § 1004 BGB, § 890 ZPO
Kommentar
1. In der Teilungserklärung von 1977 war die betreffende Einheit als "Laden und Kellerabteil" bezeichnet. Mit bestandskräftig gewordenem Eigentümerbeschluss von 1980 wurde diese vereinbarte Zweckbestimmung wirksam geändert und eine Nutzung des Teileigentums als "Kur-Café, im UG als Weinstube" gestattet. Nachfolgend kam es zu Verpachtungen der Einheit als Speiselokal und als Pilslokal mit Musikunterhaltung. Diese Nutzung war weder den Pächtern noch dem Eigentümer (Verpächter) in objektiv-normativer Auslegung des Beschlusses erlaubt. Bei einem "Kur-Café" steht der Begriff "Café" prägend im Vordergrund erlaubter Nutzung. Hier handelt es sich um einen Gaststättenbetrieb, der in erster Linie Kaffee, Tee und Konditoreiwaren anbietet (vgl. auch OLG Hamburg, MDR 1998, 1156 , m. Anm. Riecke; OLG München, NJW-RR 1992, 1492/1493; OLG Hamm, NJW-RR 1986, 1336/1337). Ein solcher Café-Betrieb ist einem Speiselokal nicht gleichzusetzen (vgl. auch BayObLG, NZM 1999, 866/867). Maßgebend für den herrschenden Sprachgebrauch sowie die seinerzeitige Verkehrsübung und Verkehrsauffassung ist i.Ü. der Zeitpunkt der Beschlussfassung, so dass es nicht darauf ankommt, ob sich der Betriebstyp "Café" zwischenzeitlich tatsächlich gewandelt haben sollte.
2. In einer "Weinstube" wird begrifflich ebenfalls nach allgemeinem Sprachgebrauch und nach der Verkehrsauffassung in richtiger Auslegung in erster Linie Wein an Gäste eher gesetzteren Alters ausgeschenkt, die das Lokal vorwiegend in den Abendstunden zum geselligen Gespräch aufsuchen und allenfalls leise Hintergrundmusik schätzen. Auf subjektive Nutzungsvorstellungen der Antragsgegnerseite kommt es nicht an. Die Nutzung als Speiselokal stört und beeinträchtigt i.Ü. wegen der unterschiedlichen Öffnungszeiten und des Auftretens von Küchengerüchen mehr, als eine beschlussweise zulässige Nutzung zum Betrieb eines Cafés.
3. Auch von einer Verwirkung des antragstellerseits geltend gemachten Unterlassungsanspruchs konnte vorliegend nicht gesprochen werden. Verwirkung setzt hier voraus, dass seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten (Umstandsmoment), welche die verspätete Geltendmachung des Rechts als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen ( § 242 BGB); dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Verpflichteter nach dem Verhalten des Berechtigten mit der Geltendmachung der Ansprüche nicht mehr zu rechnen braucht und sich darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat. Ist ein Unterlassungsanspruch verwirkt, so wirkt dies auch für und gegen den Sondernachfolger (h.M). Ohne Rechtsfehler hat das LG eine zurechenbare Verwirkung des Unterlassungsanspruchs verneint, ebenso einen Anspruchsverzicht (was in der Entscheidung näher begründet wird).
4. Der Betrieb eines "Pilslokals" mit Musikunterhaltung stört ebenfalls mehr als eine Weinstube herkömmlichen Zuschnitts; die größere Beeinträchtigung ergibt sich hier aus den Verhaltensweisen der überwiegend jugendlichen Gäste und der Lauststärke der dargebotenen Musik.
5. Auch nach Beendigung des letzten Pachtverhältnisses bestand die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen im Sinne des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. An den Nachweis des Wegfalls einer Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BayObLG, NJW-RR 1987, 463/464 und ständige Rechtsprechung). Vorliegend war von Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BayObLG, NJW-RR 1987, 463/464 und ständige Rechtsprechung). Vorliegend war von Wiederholungsgefahr auszugehen und keiner Verwirkung des Unterlassungsanspruchs.
6. Die Vollstreckung des Anspruchs richtet sich nach § 890 ZPO. Hier muss nach § 890 Abs. 2 ZPO ein bestimmtes Höchstmaß des Ordnungsmittels angegeben werden; insoweit musste die vom AG ausgesprochene Androhung durch den Senat ergänzt werden.
7. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert dieser Instanz von DM 30.000,-
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 28.09.2000, 2Z BR 55/00)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer