Leitsatz
Wegen eines Mangels der Wohnung, von dem der Vermieter keine Kenntnis hat, kann der Mieter ein Zurückbehaltungsrecht erst an den Mieten geltend machen, die fällig werden, nachdem der Mieter dem Vermieter den Mangel angezeigt hat.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB §§ 320 Abs. 1, 536c Abs. 2
Kommentar
Nachdem in der Wohnung Schimmelpilz aufgetreten war, hat der Mieter die Mietzahlungen eingestellt, allerdings ohne den Mangel dem Vermieter anzuzeigen. Der Vermieter hat das Mietverhältnis wegen des Zahlungsrückstands nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB gekündigt. Das Landgericht hat die Kündigung für unwirksam erachtet und hierzu ausgeführt, dass dem Mieter wegen des Mangels ein Zurückbehaltungsrecht an der Miete nach § 320 BGB in Höhe des dreifachen Minderungsbetrags zugestanden habe.
Der BGH hat das Urteil aufgehoben: Tritt in der Wohnung während der Mietzeit ein Mangel auf, so ist eine Minderung der Miete gleichwohl ausgeschlossen, wenn der Mieter den Mangel nicht anzeigt und der Vermieter aus diesem Grund keine Abhilfe schaffen kann (§ 536c Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB). Der Anspruch des Mieters auf Mangelbeseitigung nach § 535 Abs. 1 BGB besteht hingegen unabhängig von der Mangelanzeige. Dies führt zu der Frage, ob dem Mieter wegen dieses (Erfüllungs-)Anspruchs ein Zurückbehaltungsrecht an der Miete zusteht. Ein solches Recht kann sich bei gegenseitigen Verträgen – zu denen auch der Mietvertrag zählt – aus § 320 BGB ergeben. Danach kann der Mieter die ihm obliegende Leistung (Zahlung der Miete) bis zur Bewirkung der Gegenleistung (Herstellung des vertraglich geschuldeten Zustands, Mangelbeseitigung) verweigern.
Der BGH führt hierzu aus, dass das Zurückbehaltungsrecht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen ist, wenn der Mieter den Mangel nicht anzeigt. Der BGH begründet dies mit der Funktion des Zurückbehaltungsrechts. Mithilfe dieses Rechts kann der Mieter Druck auf den Vermieter ausüben und so auf eine zügige Beseitigung des Mangels hinwirken. Hieraus folgt, dass ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Mangels der Mietsache nur dann sinnvoll ausgeübt werden kann, wenn der Vermieter den Mangel kennt. Dies wiederum hängt in der Regel von einer Mangelanzeige ab.
Nach dem amtlichen Leitsatz setzt das Zurückbehaltungsrecht voraus, dass "der Mieter dem Vermieter den Mangel angezeigt hat". Fraglich kann sein, welche Rechtsfolge gilt, wenn der Vermieter den Mangel bereits kennt. In der Rechtsprechung wird hierzu die Ansicht vertreten, dass die unterlassene Mangelanzeige in einem solchen Fall nicht zum Verlust der Gewährleistungsrechte führt (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 2.6.2008, I-24 U 193/07, NZM 2009 S. 280). Für das Zurückbehaltungsrecht kann nichts anderes gelten.
Nach § 536c Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB führt die unterlassene Mangelanzeige nur dann zum Verlust der Gewährleistungsrechte, wenn der Vermieter aus diesem Grund keine Abhilfe schaffen kann. Hier ist in Erwägung zu ziehen, ob dem Mieter neben den Gewährleistungsrechten auch Erfüllungsansprüche zustehen. Dies ist nur ausnahmsweise zu verneinen, nämlich dann, wenn die Mangelbeseitigung rechtlich unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar ist. In diesen Ausnahmefällen steht dem Mieter kein Zurückbehaltungsrecht zu, in allen anderen Fällen kann es geltend gemacht werden.
Link zur Entscheidung
BGH, Versäumnisurteil v. 3.11.2010, VIII ZR 330/09, GE 2011 S. 122