Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG
Kommentar
1. Ein Wohnungseigentümer muss einen Mehrheitsbeschluss nicht hinnehmen, nach dem alle Wohnungen der Wohnanlage in die Breitbandverteileranlage für einen bereits vorhandenen Kabelanschluss eingebunden werden sollen und die vorhandene, einwandfrei arbeitende Dachantennenanlage abzubauen ist.
Die Umrüstung einer Dachantennenanlage auf den Anschluss an das Breitbandkabelnetz stellt eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG dar (h.R.M.). Im vorliegenden Fall ist zwar die Wohnanlage als solche bereits an das Breitbandkabelnetz angeschlossen und es müssen nur noch Wohnungen, die nicht schon angeschlossen sind, in die Breitbandverteileranlage eingebunden werden; eine solche Maßnahme stellt aber in Verbindung mit der Demontage der Dachantennenanlage gleichwohl eine bauliche Veränderung dar. Hier geht es auch nicht um ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums, wenn eine derzeit vorhandene Dachantennenanlage einwandfrei funktioniert und damit nicht instandgesetzt werden muss. Wohnungseigentümer müssen zwar mit Pflege- und Erhaltungsmaßnahmen nicht warten, bis konkrete Schäden größeren Ausmaßes tatsächlich eingetreten sind; vielmehr dürfen sie nach dem Maßstab eines verständigen Hauseigentümers wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen auch schon vorsorglich treffen, wenn Anhaltspunkte für die Schadensanfälligkeit von baulichen Konstruktionen bestehen (vgl. BayObLG, NJW-RR 91, 967; 92, 664); ein solcher Fall liegt allerdings - wie vom LG rechtsfehlerfrei festgestellt - hier nicht vor.
2. Der beschlussanfechtende Eigentümer war auch durch die beschlossenen Maßnahmen über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt, und zwar insbesondere durch die Belastung mit Kosten, da für einen Kabelanschluss eine monatliche Zahlung von 20 DM pro Wohnung verlangt wurde. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Unterhaltung einer Dachantennenanlage Kosten verursacht, so sind diese Kosten pro Wohnung und Monat jedoch wesentlich geringer.
3. Zu einem anderen Ergebnis kommt man auch nicht bei einer Abwägung zwischen dem grundrechtlich geschützten Informationsinteresse der Antragsgegner an einem erweiterten Fernseh- und Hörfunkangebot (wie es der Kabelanschluss ermöglicht) und dem in erster Linie kostenmäßig ausgerichteten Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung der bisher vorhandenen Dachantennenanlage (vgl. auch OLG Köln v. 19. 7. 1995, WE 1/96, 39). Der Senat ist davon überzeugt, dass die Wohnungseigentümer, die den Kabelanschluss wünschen, einen solchen aufgrund von Neuverhandlungen mit der Kabelgesellschaft auch erreichen werden, ohne dass die Bedingung der Kabelgesellschaft aufrechterhalten bleibt, es müssten sich sämtliche Wohnungseigentümer der Wohnanlage dem Breitband-Kabelnetz anschließen und die Dachantennenanlage müsse beseitigt werden. Es ist allerdings möglich, dass dann für jeden anschlusswilligen Eigentümer eine höhere Gebühr anfällt. Letztlich erscheint es aber nicht unbillig, dass die Wohnungseigentümer für den Differenzbetrag zwischen 20 DM und der höheren Gebühr aufkommen müssen, die sich dem Breitband-Kabelnetz anschließen wollen, und dass nicht der Antragsteller 20 DM pro Monat für eine Art des Fernseh- und Rundfunkempfangs zahlen muss, die er nicht wünscht.
4. Da der angefochtene Beschluss schon aus vorgenannten Gründen keinen Bestand haben kann, kann es dahingestellt bleiben, ob nicht auch ein Nachteil der beschlossenen Maßnahme darin liegen kann, dass dadurch der Weg für einen Satellitenempfang verbaut wird, der möglicherweise aus Kostengründen oder wegen der noch größeren Vielfalt an Programmen für den einen oder anderen Wohnungseigentümer erstrebenswerter erscheint als der Kabelanschluss.
5. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert für diese Instanz von DM 50.000.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 01.10.1998, 2Z BR 71/98)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer