Leitsatz
Die Umrüstung einer voll funktionsfähigen Dachantennenanlage auf den Anschluß an das Breitbandkabelnetz stellt eine bauliche Veränderung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 WEG dar, die von den Wohnungseigentümern nicht mehrheitlich beschlossen werden kann, da sie einzelne Wohnungseigentümer über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. (Leitsatz der Redaktion)
Sachverhalt
Die Wohnungseigentumsanlage verfügte über eine voll funktionsfähige Dachantennenanlage zum Empfang von Rundfunk- und Fernsehsendern. Die Wohnanlage als solche war zwar bereits an das Breitbandkabelnetz angeschlossen, gleichwohl mußten noch Wohnungen, die noch nicht angeschlossen waren, in die Breitbandverteileranlage eingebunden werden. Die Kabelgesellschaft war dabei der Auffassung, sämtliche Wohnungen müßten an das Netz angeschlossen und die Dachantennenanlage beseitigt werden. Die Wohnungseigentümer faßten daher auf einer Wohnungseigentümerversammlung mehrheitlich einen Beschluß, wonach nunmehr alle noch nicht eingebundenen Wohnungen an das Breitbandkabelnetz angeschlossen werden sollten. Gleichzeitig wurde beschlossen, die Dachantennenanlage zu entfernen.
Einer der Wohnungseigentümer hat diesen Beschluß angefochten und ist der Auffassung, bei der Demontage der Dachantenne handele es sich um eine bauliche Veränderung, die nur allstimmig habe beschlossen werden können. Weiter sei er nicht bereit, die monatlichen Gebühren für den Kabelanschluß zu entrichten.
Entscheidung
Der Beschluß war tatsächlich unwirksam, denn in der Tat handelte es sich bei der Demontage der Dachantennenanlage um eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 WEG. Diese hätte zwar durchaus mehrheitlich beschlossen werden können, der Anschluß an das Breitbandkabelnetz stellt aber unter gewissen Umständen durchaus eine über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinausgehende Beeinträchtigung dar. Aber der Reihe nach …
Der Anschluß an das Breitbandkabelnetz stellte in Verbindung mit der Demontage der Dachantenne zunächst eine bauliche Veränderung dar. Hierbei war nämlich zu berücksichtigen, daß die Antennenanlage einwandfrei funktionierte. Bei der Demontage handelte es sich also nicht um eine Maßnahme der Instandsetzung oder Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Grundsätzlich können zwar Pflege- und Instandhaltungsmaßnahmen auch vorsorglich getroffen werden - es muß also nicht zugewartet werden, bis konkrete Schäden größeren Ausmaßes tatsächlich eintreten. Denn grundsätzlich können nach dem Maßstab eines verständigen Hauseigentümers wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen auch vorsorglich getroffen werden, soweit Anhaltspunkte für eine Schadensanfälligkeit von baulichen Konstruktionen bestehen. Ein solcher Fall war hier aber nicht gegeben. Die Antennenanlage war vielmehr voll funktionsfähig, eine Schadensanfälligkeit nicht vorhersehbar.
Da es sich bei der beschlossenen Maßnahme also um eine bauliche Veränderung handelte, hätte ein Mehrheitsbeschluß nur dann ausgereicht, wenn einzelne Wohnungseigentümer durch diese Maßnahme nicht über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt würden. Das aber ist gerade der Fall. Denn der Anschluß an das Breitbandkabelnetz ist mit Kosten und Gebühren verbunden, da für die Nutzung ein monatliches Entgelt zu entrichten ist. Der konkrete Nachteil besteht nun darin, daß die Kosten für die Nutzung de Kabelnetzes weit über das hinausgehen, was für eine Unterhaltung der Dachantennenanlage aufgewendet werden muß.
Schließlich war noch zwischen dem grundrechtlich geschützten Informationsinteresse der Mehrheit der Wohnungseigentümer an einem erweiterten Fernseh- und Hörfunkangebot und dem Kosteninteresse des anfechtenden Wohnungseigentümers abzuwägen. Hier aber stellten sich die Richter auf den Standpunkt, daß es der Mehrheit der Wohnungseigentümer durchaus gelingen werde, aufgrund von Neuverhandlungen mit der Kabelgesellschaft zu erreichen, daß nicht alle Wohnungseigentümer an das Breitbandkabelnetz angeschlossen werden müßten. Letztlich müsse auch berücksichtigt werden, daß der Wohnungseigentümer nicht eine monatliche Gebühr für eine Art des Fernseh- und Rundfunkempfangs zahlen muß, die er überhaupt nicht wünscht. Insoweit sei es auch sachgerecht, wenn mangels Anschluß sämtlicher Wohnungseigentümer für die anschlußwilligen Wohnungseigentümer eine höhere Gebühr anfällt.
Link zur Entscheidung
BayObLG, Beschluss vom 01.10.1998, 2Z BR 71/98
Fazit:
Soweit die Ansicht des Gerichts hier auch dem einen oder anderen Leser etwas antiquiert erscheint, darf nicht vergessen werden, daß sich die Eigentümergemeinschaft über die Möglichkeit des Satellitenempfangs wohl überhaupt keine Gedanken gemacht hat. Denn nicht nur unter Kostengesichtspunkten stellen Satellitenanlagen mehr als nur eine Alternative zum Kabelempfang dar, so sind mitunter auch wesentlich mehr Programme zu empfangen.